Der 24. April ist Fashion Revolution Day!

(efp).- Am Fashion Revolution Day am 24. April werden viele junge Leute ihre Klamotten umdrehen. Warum? Weil sie mit der links getragenen Kleidung zeigen, wer das Kleidungsstück gemacht hat. Menschen aus über 66 Ländern beteiligen sich mit Events, Flashmobs, Workshops und einer weltweiten Selfie-Kampagne. Sie stellen den globalen Modemarken immer wieder die gleiche Frage: „Who made my clothes?“ Die Labels werden damit aufgefordert, Verantwortung für die Produktionsbedingungen in den Herstellerländern zu übernehmen und in ihrer globalen Lieferkette mehr Transparenz herzustellen.

Das geht gar nicht: Produktion unter katastrophalen Umständen

Denn hinter dem Aktionstag steckt ein trauriger Ursprung: Am 24. April 2015 jährt sich zum zweiten Mal der Zusammensturz der Rana Plaza Textilfabrik in Dhaka, Bangladesch. Ein Unglück, das über 1.100 Menschenleben forderte, mehr als 2.200 ArbeiterInnen wurden schwer verletzt. Weltweit arbeitet jeder sechste Mensch in der Lieferkette der globalen Modeindustrie – und auch zwei Jahre nach dem Unglück in Bangladesch tun es viele von ihnen immer noch unter katastrophalen Umständen.

Mehr Transparenz muss her

Genau darauf möchte der Fashion Revolution Day die Aufmerksamkeit der Konsumenten richten. „Durch den Fashion Revolution Day können Menschen weltweit zeigen, dass ihnen die teilweise unmenschlichen Arbeitsbedingungen in der Textilbranche nicht egal sind. Rana Plaza hat vielen klar gemacht, wie schlimm die Zustände in manchen Ländern immer noch sind. Jetzt können wir zusammen etwas erreichen und eine transparentere Lieferkette fordern“, erklärt Annett Borg, Koordinatorin des Fashion Revolution Day Deutschland.

Selfie posten und mitmachen!

Eine Online-Aktion begleitet den Fashion Revolution Day in der virtuellen Welt. In den sozialen Netzwerken kann jeder eine Antwort auf sein ganz persönliches „Who made my clothes?“ fordern. So einfach geht’s: die eigene Kleidung auf links krempeln, ein Foto machen, in das soziale Netzwerk seiner Wahl hochladen und natürlich den passenden Hashtag nicht vergessen. Mit dem Schlagwort #FashRev (am 24. April #whomademyclothes) kann jeder sein Bild markieren und sich durch die Selfies anderer Teilnehmer klicken. Die Modelabels, die das jeweilige Kleidungsstück hergestellt haben, können auf diese Art auch direkt addressiert werden: einfach „Who made my clothes?“ und @“Accountname des Labels“ zum Foto hinzufügen. Vielleicht antworten Zara, H&M, Primark und Co. ja …

GLS Bank: Von Demeteräpfeln zu internationalem Investment

Interview mit Christof Lützel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der GLS Bank

(efp). Die GLS Bank ist ein internationales Phänomen. Motto: „Geld ist für die Menschen da.“ Bekenntnis: „Als Pionier sozial-ökologischer Bankarbeit investieren wir das bei uns angelegte Geld sinnstiftend und transparent.“

In unserem Interview auf der BioFach 2015 erzählte uns Christof Lützel, der seit über 15 Jahren Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der GLS Bank ist, aus dem Nähkästchen. Das ist persönlich und politisch zugleich. Seine offene Art und die Lockerheit seiner Textfreigabe stehen für die angstfreie Atmosphäre der Bank. Themen sind zum Beispiel:

  • Wie kommt jemand ausgerechnet an so einen Job?
  • Welche Philosophie hat die GLS Bank?
  • Wie steht sie zu TTIP?
  • Und wie zum problematischen Thema „Wachstum“?
  • Was ist von ethischen Investments herkömmlicher Banken zu halten?

GLS_Logo-ClaimDer Name der Genossenschaftsbank steht für „„Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“. Beispiel für die Ungewöhnlichkeit des Konzepts: Bei der Kontoeröffnung können die Kunden bestimmen, wo ihr Geld angelegt werden soll. Das gefällt den Menschen: Die Zahl der Kunden ist von 47.500 im Jahr 2005 auf inzwischen rund 190.000 angewachsen. Und auch das gefällt (nicht nur uns): „Wir finanzieren keine Unternehmen, die mit Atomenergie, Bioziden, chlororganischen Massenproduktionen, Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten, Embryonenforschung, grüner Gentechnik, Kinderarbeit, kontroversen Wirtschaftspraktiken, Pornografie, der Produktion hochprozentiger alkoholischer Getränke, Rüstung, Tabakproduktion oder Tierversuchen zu tun haben.“

Hier geht’s zum Interview.

Öko, bio, ethisch, fair – auch bei Finanzen?

Für sein Geld kann man umfassend Verantwortung übernehmen

(efp). Tatsächlich könnte jeder seine Finanzen „nachhaltig“ gestalten. Angefangen beim Konto über die Geldanlage bis hin zur Altersvorsorge. Somit ist es also – theoretisch – möglich, für sein Geld umfassend Verantwortung zu übernehmen bzw. aktiv mitzugestalten. Praktisch machen das auch (zum Glück) immer mehr Menschen.

Im Vergleich zum konventionellen Finanzwesen sind die Zahlen (leider) noch überschaubar.

Das Problem mit der Transparenz

Was bedeutet nun „nachhaltig“ bei Finanzen? Gibt es so etwas, wie ein Bio/Fairtrade-Siegel? Ein allgemeingültiges Siegel gibt es bisher nicht, wird aber immer mal diskutiert. Es gibt verschiedene Initiativen, die Anlegern eine Orientierungshilfe geben wollen, z.B. das Forum nachhaltige Geldanlagen, die ein Transparenzlogo (für Fonds) entwickelt haben. Außerdem will auch z.B. ecoreporter mit einem eigenen Siegel Transparenz schaffen. Das gilt nicht nur für „Finanzprodukte“, sondern auch für „nachhaltige Anbieter“.

Nachhaltig Geld anlegen

Was sind also Nachhaltigkeitskriterien im Anlagebereich? Hier mal ein Überblick:

  • Es gibt das weit verbreitete „Best in class“-Prinzip. Das bedeutet, von jeder Branche (keine ist ausgeschlossen!) werden jeweils die „besten“ ausgewählt. Hierzu gehören Unternehmen, die sich zusätzlich zu den ökonomischen Aspekten auch umfassend um ökologische und soziale Belange kümmern.
  • „Ausschließen“ ist auch ein beliebter Ansatz. Denn wer freut sich schon darüber, wenn die Rendite z.B. mit Waffenproduktion, Verletzung der Menschenrechte oder Umweltschäden erwirtschaftet wurde?
  • „Positiv bewertet“ werden z.B. Unternehmen, die verantwortungsvoll mit ihren Mitarbeitern umgehen, eine transparente Berichterstattung pflegen, etc. In diesen Bereich fallen vor allem Themen wie Umwelttechnologie, erneuerbare Energien, Recycling, Green Building oder auch das soziale Thema Mikrofinanzen.
  • Es gibt auch noch den Ansatz der „aktiven Einflussnahme“ bzw. „Engagement“, der in Deutschland noch wenig verbreitet ist. Ziel ist es, ein Unternehmen durch einen offenen Austausch zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen.

Soweit mal ein Einstieg zum Thema „Nachhaltige Finanzgestaltung“.

Fortsetzung folgt – mit Tipps und Infos zu einzelnen Bereichen.

Blogbeiträge zum Thema „Nachhaltige Geldanlagen“ schreibt die Fachberaterin für nachhaltiges Investment Franziska Köller

Ökomode oder vom Ende der Jesuslatschen

Öko-Textilien liegen im Trend – und können mit konventioneller Mode locker mithalten

Lohas finden, genießen könne man nur auf einen gesunden Planeten. Sie frönen einem „Lifestyle of Health and Sustainability“, einem Lebensstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit, verdienen meist ganz ordentlich, haben Spaß am Leben, machen sich im Zweifelsfall selbstständig und achten auch im Harz-IV-Stadium noch auf gutes Aussehen, dann eben vom Flohmarkt.

Ihnen ist der Gang zum Bio-Supermarkt so selbstverständlich wie ihren Eltern einst der Weg zu Rewe. Statt Jesus-Latschen tragen sie Designer-Schuhe und -Klamotten aus fairem Handel. Denn auf eine selbstverständliche Art verbinden sie individuelles Wohlergehen mit der Sorge um den Planeten. Und sie sind Multiplikatoren. Sie tragen ihre Botschaft in die Welt, bloggen, chatten, twittern und vernetzen sich. Szenekenner schätzen, dass Lohas im Vergleich zur generellen Bevölkerung andere Menschen dreimal häufiger beeinflussen.

Ökomode11 (Foto Dreams_and_doors)Ökomode-Markt boomt, konventioneller schwächelt

Weil potenzielle Lohas einer Nielsen-Studie von 2008 zufolge ca. ein Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen, sind inzwischen auch Öko-Textilien Trend. Auf den Pret-à-Porter- Schauen in Paris gewinnt die entsprechende Sektion „So Ethic“ jährlich an Bedeutung. Dem Textilmarkt ergeht es damit ähnlich wie vor einigen Jahren dem Lebensmittelmarkt. Für konventionelle Textilien interessieren sich die Deutschen immer weniger. 1970 gaben sie noch zehn Prozent ihres Einkommens dafür aus, 2010 waren nur noch rund fünf Prozent. Der Organic Cotton Market Report hingegen schätzt die durchschnittlichen Wachstumsraten für Produkte aus Biobaumwolle auf 116 Prozent pro Jahr. Die Gesamtmenge an Biobaumwolle im Jahr 2012 wurde auf 138.813 Tonnen weltweit geschätzt, etwa 75 Prozent kommen aus Indien.

Nach kbA nun kbT

Das gewachsene Selbstbewusstsein der Branche äußert sich in Markennamen wie „Göttin des Glücks“, „Fairliebt“ oder „Greenality“. „Umasan“ setzt noch eins drauf und bezeichnet sich gar als „erstes veganes High-Fashion-Label“. Am sexy gewordenen Ökobewusstsein können sich die Großen der Branche nicht mehr vorbeimogeln. C&A bietet Öko-Jeans an, die preislich ihre konventionellen Mitbewerber unterbieten. Schwer ist das nicht, denn bei den bis zu 100 Verarbeitungsschritten von Textilien macht das Material nur einen Bruchteil der Gesamtkosten aus. H&M verarbeitete 2008 bereits 3.000 TonnenÖkomode10 (Foto Brainshirt) Öko-Baumwolle, 2013 sollen es 15.000 Tonnen sein, C&A kam 2009 auf 12.000 Tonnen. Kontrolliert wird über die Organisation „Organic Exchange“. Selbst der Cotton-Dinosaurier Levi’s mischt inzwischen am Markt mit. Doch der Trend wirkt nicht nur bei Baumwolle. Für Wolle aus rücksichtsvoller Tierhaltung – statt knallharter australischer Massenschafhaltung – setzt sich der Begriff kbT durch, „kontrolliert biologische Tierhaltung“, analog zu kbA: kontrolliert biologischer Anbau. Große deutsche Öko-Bekleidungsfirmen wie Hess Natur, Living Crafts oder Engel Naturtextilien werben bereits mit dem Begriff.

I love My Planet

Wünschenswert wäre allerdings, dass hinter dem Begriff Öko-Baumwolle auch die sozialen Bedingungen in den Produktionsländern und die umweltgerechte Verarbeitung auf dem Weg vom Rohstoff bis zum fertigen Textilprodukt deutlicher ins Visier geraten. Die Schweizer Öko-Textilfirma Remei (mit Kunden wie Globetrotter, Greenpeace, Mammut, elkline, propheten, Grüne Erde) bringt die neue Perspektive auf den Punkt: „Wer Mode trägt, kann auch Verantwortung tragen“ und: „Nur wer den Menschen achtet, wird dauerhaft erfolgreich sein.“ Nach diesen Prinzipien arbeitet die Firma mit über 8.000 Kleinbauern in Indien und Tansania zusammen. Trendsetter wie der niederländische Modeanbieter Kuyichi wissen darum und werben: „We give full transparency of our sustainable clothing and fair working conditions“, und fügen für die Lohas hinzu: „We never lose sight of our style conscious approach. We create style.“

Ökomode04 (Foto_Götting des Glücks)Etliche deutsche Firmen haben sich auf Öko festgelegt, so die Kölner Armed Angels („Bio ist bei uns kein Trend, sondern Einstellung“), die Berliner Bio Shirt Company („i love my planet entspricht dem kern unserer firmenphilosophie“), die Kornwestheimer Mode-Designerin Daniela Lehle oder der Hamburger Shirtshersteller „Verliebt“. Letzterer lässt seine Bioprodukte in Kenia nähen und garantiert „sichere Arbeitsbedingungen, feste Löhne und natürlich keine Kinderarbeit“. Von jedem verkauften Kleidungsstück wandern 50 Cent in einen Fond für Microkredite. An konsequente Vegetarier richtet sich der britische Beyond Skin. Das Unternehmen bietet konsequenterweise Schuhe ohne Leder zu Preisen an, die sich mit konventioneller Mode messen können, Versand weltweit. Der dänische Kult-Öko-Anbieter Noir verpflichtet sämtliche Lieferanten auf die eigenen Ökoprinzipien. Die Raison d’être der Firma fasst zusammen, was die Branche als werbewirksame Zukunftsziele für sich verbuchen könnte: „sexiness, luxury, fashion and corporate social responsibility can work beautifully together in harmony“.

Ökomode02 (Foto_Götting des Glücks)Neues Leben mit Nueva Vida

Wie segensreich sich der neue Trend auswirkt, zeigt die Nueva Vida Fair Trade Zone. Nach der Zerstörung der Sweatshops-Arbeitsstätten durch den Hurrikan Mitch konnte die Kooperative mit Hilfe einer Non-Profit-Organisation innerhalb weniger Jahre so weit aufgebaut werden, dass dort etwa 40 Arbeiterinnen in Vollzeit beschäftigt sind, keine Arbeiterinnen im herkömmlichen Sinn, sondern „owner-workers“, denn Gebäude und Maschinen sind Eigentum der Mitglieder, die Löhne, Arbeitszeiten und Investitionen gemeinsam entscheiden. Hergestellt werden T-Shirts, Blusen und Babykleidung aus biologisch angebauter Baumwolle mit GOTS-Zertifizierung.

Öko + faire Textilien weltweit

Green Showroom Salonshow - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16Unabhängig von den mehr oder weniger bekannten Firmen können sich Verbraucher an Labels und zu „fairwear“ orientieren. Irreführend ist der Standard „Öko-tex 100“. Mit öko oder fair hat er nichts zu tun, sondern legt lediglich eine gewisse Schadstoffarmut im Textil unterhalb festgelegter, relativ niedriger Höchstwerte fest. Weit empfehlenswerter ist „OEKO-TEX MADE IN GREEN“. Hier werden neben der Unbedenklichkeit auch die Umweltfreundlichkeit und die sozialen Bedingungen der Herstellung geprüft. Ähnlich dem Blauen Engel vergibt die wenig transparente „Euroblume“ der EU ihr „EU Ecolabel“ auf einem relativ niedrigen Niveau: Die ausgezeichneten Produkte müssen weniger schlimme Umweltauswirkungen haben als vergleichbare ungesiegelte Waren. Soziale Kriterien werden überhaupt nicht berücksichtigt.

Dem IVN sei Dank

Sehr hohe Anforderungen auch hinsichtlich der sozialen Kriterien setzt der Naturtextil-Standard des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft. Textilien tragen dann den Hinweis „IVN-zertifiziert“. Den bisher höchsten Standard im Bereich Naturtextilien erreichen Kleidungsstücke mit „IVN-zertifiziert BEST“. Bei der Ausarbeitung des weltweit geltenden Standard GOTS (Global Organic Textile Standard) war der IVN maßgeblich beteiligt. GOTS gibt es in zwei Stufen (label-grades): „organic“ (bio) bzw. „organic – in conversion“. Hier dürfen nur fünf Prozent der Fasern aus konventionellem Anbau stammen oder synthetisch sein. Bei GOTS „made with X% organic“ bzw: „made with X% organic in conversion“ muss wenigstens die angegebene Prozentzahl aus Bio-Anbau stammen. Ausnahmen gelten für Socken, leggings und Sportswear. Dort dürfen bis zu 25 Prozent synthetische Fasern beigemischt werden. GOTS verlangt generell soziale Mindeststandards, die überprüft werden.

Wie kompliziert die Kontrolle von Ökotextilien ist, belegt die Untersuchung der Geschäftspraktiken von Ökotextilfirmen, die Ende 2011 von der Christliche Initiative Romero e.V. (CIR) in Kooperation mit Südwind Österreich und dem Polish Green Network durchgeführt wurde. So erhielt die Schweizer Remei AG, die für Greenpeace oder den Deutsche Evangelische Kirchentag produziert, beispielsweise eine insgesamt gute Bewertung. Dennoch konnte Remei nicht belegen, dass existenzsichernde Löhne in den Zulieferfabriken entlang der textilen Herstellungs- und

Produktionskette gezahlt werden. Auch „die glaubhafte Überprüfung der Einhaltung sozialer Kriterien“ wurde als „unzureichend“ empfunden.

Fair Wear statt Fair Trade

In den Reigen der Textil-Labels gehört auch ein Prüfzeichen, das mit Ökomode gar nichts zu tun hat: das Zeichen der Fair Wear Foundation. Es prüft nicht die Textilqualität, sondern die Qualität der Arbeitsbedingungen, ist also letztlich ein Sozialstandard. Firmen, die der FWF beitreten, müssen nicht den Zielstandards entsprechen, sondern verpflichten sich, diese anzustreben. Das Siegel darf nur dann ins Endprodukt eingenäht werden, wenn die Standards tatsächlich erfüllt wurden. Ähnlich wie die Fair Wear Foundation arbeitet Social Accountability International mit ihrem Standard SAI 8000.

Der GOTS-Standard

Der GOTS legt weltweit verbindliche Anforderungen für jedes einzelne Glied der textilen Herstellungskette fest. Genetisch manipuliertes Baumwoll-Saatgut, das auf Einsatz von schützenden Chemikalien angewiesen ist, ist verboten. Der Baumwollanbau muss überwiegend unter kontrolliert-biologischen Bedingungen stattfinden. Chemische Entlaubungsmittel sind verboten, so dass zwangsläufig von Hand geerntet werden muss. So wird die Ernte ausschließlich vollreifer Baumwollkapseln möglich und damit auch eine höhere Qualität.

Der GOTS verbietet Kinderarbeit und definiert soziale Mindeststandards mit fairen Arbeitsbedingungen und -löhnen. Bei der Weiterverarbeitung gelangen üblicherweise viele chemische Zusätze ins Gewebe. Der GOTS setzt auf umweltschonende Verfahren mit Hilfe von Hitze, Feuchtigkeit und Druck. Glanz und Flausch wird ebenfalls chemiefrei auf mechanisch-physikalischem Weg erzeugt. Gebleicht wird auf Sauerstoffbasis mit schwermetallfreien Farbstoffen. Zum Schutz der Umwelt ist eine zweistufige Kläranlage vorgeschrieben. Bei der Endfertigung sind PVC, Chrom oder Nickel als allergene und chemisch belastete Bestandteile tabu.

IVN-zertifiziert BEST

Noch einmal übertroffen werden die GOTS-Bedingungen vom Standard „IVN-zertifiziert BEST“. Es ist sozusagen das Ökomode-Premium-Label. Alle Textilien müssen zu 100 % aus zertifizierten ökologischen Materialien hergestellt sein; dieser Anspruch schließt auch Stickgarne oder Bänder ein. Die Liste zugelassener Hilfsmittel und Farben,die bereits bei GOTS erheblich eingeschränkt ist, ist noch einmal strenger. Verboten sind auch optische Aufheller sowie die Glanzbehandlung von Garnen mit Natronlauge, das Mercerisieren.

Biobaumwolle verbraucht weniger Wasser

Ökomode01 (Foto_Götting des Glücks)Für die Produktion von 1 kg konventioneller Baumwolle werden je nach Anbaugebiet zwischen 10.000 und 29.000 Liter Wasser benötigt, bei Bio-Baumwolle sind es „nur“ rund 7.000 Liter. Das hat zwei Gründe:

– Ökologisch bewirtschafteter Boden kann mehr Wasser speichern und braucht deshalb bis zu 25 Prozent weniger Wasser.

– Kontrolliert biologischer Anbau und effiziente Bewässerung gehören zusammen. Statt Flächenbewässerung wird der Boden mit Hilfe von Tröpfchenbewässerung unter der Erdoberfläche mit Wasser gesättigt, so dass nichts verdunstet und der Wasserverbrauch um rund 50 Prozent gesenkt werden kann.

Solide Öko-Fashion-Infos

… im Internet gibt es zum Beispiel unter

http://fair-zieht-an.synagieren.de
www.gruenemode.org
http://www.naturtextil.de

Modebegeisterte finden unter http://ethicalfashionshowberlin.com/aussteller/ 1000 Anregungen, wie Ökofashion aussehen kann.

Lektüre-Tipps

– Martina Hahn/ Frank Herrmann, Fair einkaufen – aber wie? Der Ratgeber für Fairen Handel, für Mode, Geld, Reisen und Genuss, 248 S., 19,90 Euro, Brandes & Apsel Verlag 2010, ISBN 978-3-86099-610-2

– Andreas Schlumberger, 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Welt zu retten. Und wie Sie dabei Geld sparen, 244 S., 14,95 Euro, Westend Verlag 2009, ISBN 978-3-93806-019-3

– Kirsten Brodde, Saubere Sachen. Wie man grüne Mode findet und sich vor Öko-Etikettenschwindel schützt, 256 Seiten. 16,95 Euro, Heyne Verlag 2009, ISBN 978-3-45328-003-8

Quellen

Die Seiten der genannten Organisationen bzw. Anbieter; alnatura.de; brigitte.de; ci-romero.de; Grüne Erde; gruenemode.com; Interuniversitäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur,Graz; naturtextil.de; sueddeutsche.de; taz.de; VCD

Fotos von oben nach unten:

1. Dreams and Doors
2. Brawinshirt
3.+6.+7. Green Showroom
4.+5.+8.-11. Göttin des Glücks

Hilfe für Menschen in Not

Ich kenne einen Deutschen, der hatte eine ausgezeichnete Fachausbildung, wollte aber in Erlangen bleiben. Weil da seine Freunde waren, weil er da wohnen konnte, weil da seine Frau war und seine Kinder. Weil dort seine Heimat war. Lieber nahm er Teilarbeitslosigkeit in Kauf.

Menschen lassen sich ohne Not nur ungern verpflanzen. Flüchtlinge, die aus weiter Ferne zu uns gekommen sind, kamen – so gut wie immer – aus Not. Doch was tun, wenn sie illegal hier sind? Dann erschrecken sie vor jedem Polizisten, versuchen unsichtbar zu bleiben, unhörbar, unauffällig. Und wenn sie verunglücken, krank werden oder schwanger? Dann geht es ihnen wie früher: Entweder sie schaffen es alleine oder sie haben eben „Pech“ gehabt. Das Elend ist programmiert, eine humanitäre Katastrophe mitten in Deutschland.

Besondere Ärzte, die ihre mitmenschliche Verantwortung nicht an eine behördliche Aufenthaltserlaubnis koppeln, haben Hilfszentren gegründet, die solchen Menschen in Not beistehen. Als Name hat sich der Begriff „Medinetz“ eingebürgert. Medinetze gibt es inzwischen an über 30 Standorten. Und das ist auch notwendig, denn nach Angaben ihres koordinierenden Büros haben Hunderttausende von MigrantInnen und Flüchtlingen und selbst viele EU-Staatsbürger keinen Zugang zum deutschen Gesundheitswesen.

Wer sein Herz am rechten Fleck hat, sollte deshalb die Internetadresse www.medibueros.org neben seine Notruftelefonnummer kleben. Die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Medibüros vermitteln die PatientInnen ohne Papiere anonym an Ärzte, PsychotherapeutInnen, Hebammen und PhysiotherapeutInnen – in seltenen Fällen auch an Kliniken.

Foto: pixabay_taniaVdB

Pizza essen, aber richtig

Sogar beim Pizzaessen kann man voll danebengreifen. Und denkt dabei noch, man täte etwas Gutes. Zu den Marktführern bei Bio-Pizzen gehört die nicht gerade unbekannte Firma Wagner. Mit anderen Worten: Es gibt eine ziemlich große Anzahl von Menschen, die diese Bio-Pizzen kaufen – und damit übelste Marktverhältnisse finanzieren. Wie das sein kann? Ganz einfach: Das einstige Familienunternehmen Wagner war so erfolgreich, dass sich einer der Haie im Teich der Lebensmittelindustrie, Nestlé, für Wagner zu interessieren begann. Und schließlich die Firma 2012 mit Stumpf und Stiel aufkaufte. Wer also heute eine Wagner Biopizza in seinen Einkaufskorb legt, entscheidet sich an der Kasse dafür, Nestlé zu finanzieren. Wer wissen möchte, was an Nestlé so gar nicht stimmt, der kann gerne bei Wikipedia nachlesen.

Weil ich aber auch gerne etwas Positives zu diesem Thema beitragen will, möchte ich an dieser Stelle die Pizzen von followfish empfehlen. Die habe ich gestern auf der BioFach in Nürnberg probiert und musste feststellen: Hätte ich’s nicht besser gewusst, dann hätte ich auf einen edlen Italiener getippt. Könnte im Restaurant nicht besser munden. Andere korrekte Anbieter sind zum Beispiel Biopolar oder Natural Cool. Wie die allerdings schmecken, kann ich nicht sagen. Probieren lohnt sich bestimmt.

Hier findest Du mehr Informationen zum Thema Bio-Pizza.

Der „Äppl“ zeigt faulige Stellen

2 Euro von 500 Euro bekommen die Arbeiter

Die Gefahr, dass dieser Blogbeitrag Apple-Fans verärgert, ist groß. Sei’s drum. Auch in meinem Bekanntenkreis gibt es genug davon. Ich könnte natürlich ein wenig darüber spekulieren, welche seelischen Mechanismen aus einem unabhängigen Menschen einen Fan machen. Aber das wäre wohl unfair und dürfte bei jedem etwas anders aussehen. Bleiben wir also bei den Fakten.

Ist es schlimm, ein Apple-Fan zu sein?

Es gibt Apple-Fans. Nicht drei, vier, sondern drei, vier Millionen. Minimum. Menschen campieren vor den Apple-Filialen, um zu den ersten zu gehören, die das jeweils nächste Iphone ergattern. Sobald das Iphone Nr. 6 bestellt werden konnte, liefen innerhalb von 24 Stunden über vier Millionen Vorbestellungen ein.

„Na und?“ werden Sie jetzt vielleicht fragen. „Es gibt doch Fans auf allen Gebieten, was ist da so schlimm dran?“ Korrekt, es fängt mit Girlie-Magazinen an und hört bei Apple auf. Man kann Fußballfan sein und anderen eins „über die Rübe“ ziehen, man kann sich als Techno-Fan über die „Hip-Hoppser“ lustig machen oder als Fan der Berliner Philharmoniker das Niveau des Philharmonischen Orchesters Würzburg beschmunzeln. So ist das eben. Was ist also schlimm dran, wenn Iphone-Fans auf die Androiden herunterblicken?

Das Ziel: Kohle abgreifen

Eigentlich nichts. Man könnte das – bei Starbucks überteuerten Kultkaffee schlürfend – unter „Menschliches, allzu Menschliches“ abhaken. Wenn da nicht der Applekult des Hochwertigen und Besonderen wäre, wenn da nicht das „Glaubenssystem“ Apple wäre. Wenn da nicht in mir der Verdacht keimte, alle Credibility-Maßnahmen von Apple wie etwa der Beitritt zur Fair Labor Association seien reine Marketingtricks mit nur einem einzigen Ziel: noch mehr Kohle abgreifen.

Apple und/oder KiK

Tatsache ist, dass Apple allein zwischen Anfang Oktober und Ende Dezember 2014 einen Nettogewinn von 18 Milliarden Dollar meldete, vermutlich mehr als jedes andere Unternehmen weltweit. Im Zusammenhang damit steht, dass von den 700 € für die Basisversion des Iphone 6 der Arbeiter in der chinesischen Fabrik gerade mal zwei Euro abbekommt, vielleicht auch 2,50. Laut Good Electronics erhalten Smartphone-Arbeiter rund 350 Euro im Monat. Das ist ungefähr die Hälfe dessen, was man derzeit in China braucht, um eine Familie zu ernähren. Zusammenfassend liegt Apple also auf einer ähnlichen Ebene wie KiK-Textilien – mit einem Unterschied: KiK behauptet keine Qualität, die seine Ware nicht hat. Wie ungeschickt. Deshalb fährt KiK auch keine Apple-Gewinne ein.

Ein Leser der Badischen Nachrichten hat es gut zusammengefasst: „Apple verkauft billigen Schrott zu Mondpreisen, und die Kunden greifen zu, weil es Apple gelungen ist, den angebissenen Apfel als hipp und begehrenswert zu platzieren. Richtige Luxusprodukte verfügen auch über ein wertvolles Produkt, das teuer hergestellt werden muss, und mit dem Fachkräfte gutes Geld verdienen.“

Foto: pixabay_nemo

99 % Reichtum für 1 % der Weltbevölkerung

Schon 2016 werden 99 % des Weltvermögens nur 1 % der Weltbevölkerung gehören. Zu beneiden sind die Superreichen nicht, jedenfalls nicht bei einer genaueren Betrachtung.

Ich muss gestehen: Auch mir ist der Neidreflex nicht fremd. Einfach nix tun, mich zurücklehnen und nächsten Monat eine Mille mehr auf dem Konto haben – „des waar scho wos!“ [hdt. Das wäre schon etwas], wie der Bayer sagt. Aber dem folgt ein zweiter Reflex auf den Fersen: auf wessen Kosten?

Regen oder Traufe?

Denn Zins und Zinseszins entstehen ja nicht im luftleeren Wirtschaftsraum. Entweder müssen sie von jemandem erarbeitet werden (also Menschen wie uns, die Kredite aufnehmen zu Zinsen, an denen wenige andere verdienen, oder Lohnsklaven [sorry, aber das kann man nicht anders nennen], die anderswo Wertvolles für einen Hungerlohn erwirtschaften) – und das ist vielleicht noch die bessere Variante. Oder sie entstehen als Geldblase im Weltfinanzsystem. Daran verdienen dann nur noch Großinvestoren und Banken, bis die Blase mal wieder platzt und wir alle Milliarden blechen müssen, damit das ganze System nicht kollabiert.

50 % Zinsen oder 1,3 %?

Wie auch immer: Letztes Jahr besaß das reichste 1 Prozent der Weltbevölkerung nur 48 Prozent des weltweiten Gesamtvermögens, nächstes Jahr werden sich die 48 Prozent in 99 Prozent verwandelt haben. Das nennt man exponentielles Wachstum. Nur zum Vergleich: Unsereinem bieten die großzügigsten Geldinstitute zurzeit 1,3 % Zinsen an.

Aber zurück zu den 1 Prozent. Konkret heißt das zum Beispiel, dass momentan die 85 reichsten Menschen so viel besitzen wie 3,5 Milliarden ihrer Mitmenschen (= die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung) zusammen.

Die Welt: Objekt der großen Begierde

Was heißt das? In seinem Klassiker „Haben oder Sein“ schrieb Erich Fromm: „In der Existenzweise des Habens ist die Beziehung zur Welt die des Besitzergreifens und Besitzens, eine Beziehung, in der ich jedermann und alles, mich selbst eingeschlossen, zu meinem Besitz machen will.“ Das aber bedeutet: Alles wird zum benutzbaren Objekt. Würde und Wertschätzung von Mitmenschen, Mitkreatur und Mitwelt sind aus so einer Haltung heraus unmöglich, Respekt wird zu Gier. Und noch viel schlimmer: Auch der Respekt vor sich selbst speist sich nur aus dem Haben. Erst durch ein Mehr werde ich ein Wer.

Spätestens an diesem Punkt verliert sich der Leidreflex und mündet in Trauer. Aber auch in Zorn: So darf das nicht sein. Die Erde ist kein Objekt, sondern unser gemeinsamer Planet. Und der muss bewohnbar bleiben.

Wer den Oxfambericht zur Verteilung des Reichtums im Detail nachlesen will, findet ihn unter http://www.oxfam.de/publikationen/working-for-the-few

Foto: pixabay_Stevebidmead

Lassen wir die Metzger sterben?

Für viele Menschen in meiner Umgebung ist es eine gute Nachricht (zugegeben, auch für mich selbst): Der Fleischkonsum sinkt bedrohlich; bedrohlich fürs Fleischerhandwerk, bedrohlich für die Schlachthöfe (was für ein Euphemismus!) und ihre Kopfschlächter, bedrohlich für die Bauern und industriellen Tierproduzenten; nachteilig für die kommunalen Einnahmen. Nicht bedrohlich, sondern vielmehr gut ist der Trend aus zweierlei Gründen:

  • Fleischarme Ernährung ist vermutlich für den Menschen gesund.
  • Fleischlose Ernährung ist mit Sicherheit für die Tiere gesund.

Was sind wir doch für eine seltsame Tierart! Zumindest den Vegetariern und Veganern liegt das Wohl der eigenen Art weniger am Herzen als das Wohl von Rindern, Schweinen, Schafen, Hühnern und Wachteln. Kein Schwein käme auf die Idee, über das Wohl der Ziegen nachzudenken. Wenn wir also böswillig an den Metzgereien vorüber- statt hineingehen, wenn wir schadenfroh durchs Schaufenster die leeren Plätze vor den vollen Wursttheken bewundern, dann sind uns das tägliche Überleben des Metzgers, seiner Familie und Belegschaft, seine Ratenzahlungen für seinen Mercedes, seinen neuen Lieferwagen und seine Villa auf Mallorca ganz einfach Wurst.

pigs (Foto Pixabay_skeeze)Sind wir dann eigentlich noch gute Menschen? Ein moralisches Dilem- ma. Zumindest an der goldigen Metzgersenke- lin sollten wir Anteil nehmen. Sie hat eben das Krabbeln gelernt, wird von der ange- grünten Metzgerstochter noch gestillt, kennt noch nicht den Unterschied zwischen Erwachsenen- und Kinderwurst (http://www.stupidedia.org/stupi/Kinderwurst) und ist das reine Entzücken der alten Fleischerin.

Es könnte sich also durchaus die Frage stellen: Sollten wir nicht doch gelegentlich Fleisch oder Wurst kaufen, damit die Metzgerfamilien ein Auskommen haben? Darüber könnte man nachdenken, wenn ein Ruck durchs Land ginge und wir plötzlich alle keine Fleischprodukte mehr kauften. Aber so ist es ja nicht. Wir schleichen das Fleisch sozusagen aus. Es gibt also ein natürliches Fleischersterben, das ohnehin mehr durch einen lernunwilligen Nachwuchs (jede vierte Lehrstelle bleibt unbesetzt) als durch den kaufunwilligen Verbraucher vorangetrieben wird. In Würzburg gibt es nach wie vor unbegreifliche Warteschlangen vor dem Bratwurststand am unteren Markt. Außerdem: Was ist denn „Wurst kaufen den Metzgern zuliebe“ für ein Argument? Sollten wir nur deswegen Waffen kaufen, damit die Waffenfabrikanten überleben?

Anmerkung zum Schluss: Würden die Deutschen die Fleischer Fleischhauer nennen, so wie die Österreicher, würden wir vermutlich noch weniger Fleisch kaufen. Für mich jedenfalls vermitteln diese drei Begriffe eine sich steigernde Brutalität: Fleischer – Metzger – Fleischhauer.

Fotos:
Fleischwolf: pixabay/PublicDomainPictures
Muttersau: Pixabay/skeeze

Jederzeit: unheiliges Weihnachten

Weihnachten und Pegida – wo ist der Unterschied?

Zugegeben, Weihnachten ist rum. Aber herrscht es nicht rund ums Jahr? Man könnte es billigerweise die Schlaraffenzeit nennen, dann wäre das christliche Fest gedanklich aus dem Weg, das ja längst auch unsere muslimischen Mitbürger zu mehr Konsum anfeuert, vielleicht sogar noch mehr als uns. Denn wer von uns feiert denn schon Bayram? Die meisten denken dabei eher an etwas Bayerisches und nicht ans türkische Zuckerfest. Dass Muslime hingegen – äußerlich wie die meisten von uns – auch ein bisschen Weihnachten feiern und sich beschenken, ist es gar nicht mehr so selten.

Die Botschaft vom Schlaraffenland

Unser Luxus, unser Wohlstand, von dem wir wissen, dass wir ihn auf dem Rücken der ärmsten Länder der Welt zelebrieren, weckt dort Sehnsüchte. Wie könnte es anders sein, als dass die materiellen Habenichtse der Welt, die nicht selten die sozialen und spirituellen Glückkinder dieser Erde sind, ein Stück von unserem Schlaraffenland abhaben möchten? Solange sie das Schicksal nicht vertreibt, bleiben sie trotzdem.

Kürzlich bezeichnete der iranische Botschafter auf den Philippinen den Papst Franziskus als „künftigen Heiligen“. Franziskus hatte die „Spirituelle Alzheimer“ innerhalb der Kurie beklagt, die Hartherzigkeit, Karrieresucht und mangelnde Selbstkritik. Fern der Häme: Wie viel davon trifft auch auf uns zu? Auf die Flüchtlinge dieser Welt jedenfalls nicht. Sie haben andere Probleme. Sie wissen oft nicht, wie sie den nächsten Tag überleben werden, wovon sie den Arzt bezahlen sollen, wenn ihre Kinder krank sind oder sie selbst. Sie können die Ausbreitung der Wüsten und die Zunahme der Unwetterkatastrophen nicht stoppen, deren Zahl vorwiegend durch die Untaten der Industrieländer nach oben getrieben wird. So landen sie in den Elendsvierteln ihrer Großstädte und erfahren von den Schlaraffenländern des Westens.

Kultur in 1-Euro-Shops

Was würden wir tun an ihrer Stelle? Vergnügt weiterhungern? Die Internationale Organisation für Migration informiert, dass 2013 rund 22 Millionen Menschen in 119 Ländern durch Naturkatastrophen ihre Heimat verloren haben. Hinzukommen Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten. 120.000 Bootsflüchtlinge allein in Italien. Wo sollen sie alle hin? Die EU überlegt zurzeit, ob ihnen nicht der tiefe Grund des Mittelmeeres eine passende Heimat wäre, im mare nostrum: unserer Adria.

Nein, es ist keine menschliche Alzheimer, die so manchen befallen hat, sondern ganz banale Furcht, den bekanntlich besten Ratgeber des Menschen. Unsere Kultur, sagen sie, wollen sie schützen. Unter Kultur verstehen sie „Sex and the City“, „SoKo“ und „Bones, die Knochenjägerin“. Sie schrecken weder vor RTL2 noch vor Gute Laune TV zurück, sie schauen nachts erst „Weiblich, gierig sucht“ und danach um halb drei den „Hofrat Geiger“. Die Kulturhüter verkehren in den 1-Euro-Shops und den Jachthäfen der Republik, sie verwechseln Konsum mit Kultur. Sie wollen nicht vom Protz-Range-Rover auf den Mittelklassewagen umsteigen, sie wollen weiterhin Karibik statt Balearen. Oder sie hätten gerne San Remo statt Zwiesel.

Das Recht der weißen Haut?

Das mag ja polemisch formuliert sein. Nüchtern scheint mir nur klar: Unser Problem sind nicht die Flüchtlinge dieser Welt, unser Problem ist unsere Verwechslung von Konsum mit Lebensqualität. Wären wir auf diesem Auge nicht mehr oder weniger alle (zumindest ein bisschen) blind, müssten wir nicht Weihnachten Nächstenliebe heucheln und ein paar Tage später wieder jene Politiker hoffieren, die die europäischen Grenzen in Eiserne Vorhänge verwandeln möchten. Mit welchem Recht? Mit dem Recht des Stärkeren? Mit dem Recht der weißen Haut? Oder einfach nur mit unserem Recht auf Bierbauch und Hüftspeck?

Foto: pixabay/Kyushi