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Gefährliche Kräutertees durch Pyrrolizidinalkaloide?

Auch beim Tee die Kirche im Dorf lassen

Als ich damit begann, meine eigenen Kräutertees herzustellen, gehörte Huflattich zu meinen ersten Bekannten. Denn das seltsame Anti-Husten-Kraut blüht im Frühjahr, bevor es Blätter treibt und ist deshalb mit keinem anderen zu verwechseln. In den letzten Jahren verunsichern aber immer wieder Hinweise auf die darin enthaltenen, giftigen Pyrrolizidinalkaloide (PA). Schon mal vorweg: Ich werden Hoflattichtee trotzdem trinken. Und dafür gibt es gute Gründe.

Huflattich (Wikipedia_Merops)Eine besondere Rolle in der PA-Verunsicherung spielte das für die Lebensmittelsicherheit zuständige Bundesinstitut für Risikobewertung. Als es im März 2014 seine 30-seitige Bewertung von Kräutertees und Tees publizierte, warf es einen mächtigen Stein in den Teich der Kräuterteehersteller. Denn PA sind möglicherweise krebserregend, leber- und lungenschädlich, können Embyos schädigen und unsere Gene verändern. Die PA, von denen es über 500 verschiedene (und unterschiedlich gefährliche) Varianten in über 5.000 Pflanzenarten gibt, sind quasi allgegenwärtig: in Honig, in Salaten, in Gemüsen, in Tees, in Kräuterpräparaten, in Getreideerzeugnissen und in den Lebensmitteln, die von Pflanzenfressern gewonnen werden: Milchprodukten. Der Grund für die Allgegenwart der PA: Sie sind die Universalwaffe der Pflanzen, um sich gegen übermäßigem Schädlingsfraß zu wehren.

Mit anderen Worten: Menschen nehmen PA zu sich, seit sie sich von Pflanzen ernähren, also: schon immer. Das eigentlich Problem mit den Pflanzenabwehrmitteln sind nicht diese selbst, sondern unser Umgang mit Pflanzen; genauer gesagt: unser eventuell manischer Umgang mit Pflanzen. Wer nämlich meint, er müsse wochenlang nur noch Huflattichtee trinken, und zwar täglich etliche Tassen, der wird sich irgendwann möglicherweise vergiften. Trinkt er aber mal ein, zwei Wochen Huflattichtee gegen seinen Husten, sonst aber gar nicht; trinkt er ansonsten Mischkräutertees, Schwarztee, Grüntee, Kaffee, Getreidekaffee usw., dann sinkt das Risiko, den bösen PA zum Opfer zu fallen, gegen Null. Mit anderen Worten: Verhält sich der Teetrinker wie ein ganz normaler Mensch, passiert ihm nix. Und noch weniger als nix, wenn er gelegentlich seine Teemarke wechselt.

Es gibt also zu PA eigentlich nichts Besonderes zu vermelden, außer dass wir uns keine Sorgen machen müssen, wenn uns mal wieder erzählt wird, wie gefährlich sie seien. Rein theoretisch sind sie‘s ja. Das muss man gar nicht abstreiten. Rein praktisch aber eben nicht. Und einen gesetzlich Grenzwert, wie viel PA in 100 Gramm Tee enthalten sein dürfen, gibt es übrigens auch nicht.

Hier findest Du ausführliche Angaben des Bundesinstitut für Risikobewertung zum  Thema Pyrrolizidinalkaloide.

Foto: pixabay/Lebensmittelfotos

Jederzeit: unheiliges Weihnachten

Weihnachten und Pegida – wo ist der Unterschied?

Zugegeben, Weihnachten ist rum. Aber herrscht es nicht rund ums Jahr? Man könnte es billigerweise die Schlaraffenzeit nennen, dann wäre das christliche Fest gedanklich aus dem Weg, das ja längst auch unsere muslimischen Mitbürger zu mehr Konsum anfeuert, vielleicht sogar noch mehr als uns. Denn wer von uns feiert denn schon Bayram? Die meisten denken dabei eher an etwas Bayerisches und nicht ans türkische Zuckerfest. Dass Muslime hingegen – äußerlich wie die meisten von uns – auch ein bisschen Weihnachten feiern und sich beschenken, ist es gar nicht mehr so selten.

Die Botschaft vom Schlaraffenland

Unser Luxus, unser Wohlstand, von dem wir wissen, dass wir ihn auf dem Rücken der ärmsten Länder der Welt zelebrieren, weckt dort Sehnsüchte. Wie könnte es anders sein, als dass die materiellen Habenichtse der Welt, die nicht selten die sozialen und spirituellen Glückkinder dieser Erde sind, ein Stück von unserem Schlaraffenland abhaben möchten? Solange sie das Schicksal nicht vertreibt, bleiben sie trotzdem.

Kürzlich bezeichnete der iranische Botschafter auf den Philippinen den Papst Franziskus als „künftigen Heiligen“. Franziskus hatte die „Spirituelle Alzheimer“ innerhalb der Kurie beklagt, die Hartherzigkeit, Karrieresucht und mangelnde Selbstkritik. Fern der Häme: Wie viel davon trifft auch auf uns zu? Auf die Flüchtlinge dieser Welt jedenfalls nicht. Sie haben andere Probleme. Sie wissen oft nicht, wie sie den nächsten Tag überleben werden, wovon sie den Arzt bezahlen sollen, wenn ihre Kinder krank sind oder sie selbst. Sie können die Ausbreitung der Wüsten und die Zunahme der Unwetterkatastrophen nicht stoppen, deren Zahl vorwiegend durch die Untaten der Industrieländer nach oben getrieben wird. So landen sie in den Elendsvierteln ihrer Großstädte und erfahren von den Schlaraffenländern des Westens.

Kultur in 1-Euro-Shops

Was würden wir tun an ihrer Stelle? Vergnügt weiterhungern? Die Internationale Organisation für Migration informiert, dass 2013 rund 22 Millionen Menschen in 119 Ländern durch Naturkatastrophen ihre Heimat verloren haben. Hinzukommen Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten. 120.000 Bootsflüchtlinge allein in Italien. Wo sollen sie alle hin? Die EU überlegt zurzeit, ob ihnen nicht der tiefe Grund des Mittelmeeres eine passende Heimat wäre, im mare nostrum: unserer Adria.

Nein, es ist keine menschliche Alzheimer, die so manchen befallen hat, sondern ganz banale Furcht, den bekanntlich besten Ratgeber des Menschen. Unsere Kultur, sagen sie, wollen sie schützen. Unter Kultur verstehen sie „Sex and the City“, „SoKo“ und „Bones, die Knochenjägerin“. Sie schrecken weder vor RTL2 noch vor Gute Laune TV zurück, sie schauen nachts erst „Weiblich, gierig sucht“ und danach um halb drei den „Hofrat Geiger“. Die Kulturhüter verkehren in den 1-Euro-Shops und den Jachthäfen der Republik, sie verwechseln Konsum mit Kultur. Sie wollen nicht vom Protz-Range-Rover auf den Mittelklassewagen umsteigen, sie wollen weiterhin Karibik statt Balearen. Oder sie hätten gerne San Remo statt Zwiesel.

Das Recht der weißen Haut?

Das mag ja polemisch formuliert sein. Nüchtern scheint mir nur klar: Unser Problem sind nicht die Flüchtlinge dieser Welt, unser Problem ist unsere Verwechslung von Konsum mit Lebensqualität. Wären wir auf diesem Auge nicht mehr oder weniger alle (zumindest ein bisschen) blind, müssten wir nicht Weihnachten Nächstenliebe heucheln und ein paar Tage später wieder jene Politiker hoffieren, die die europäischen Grenzen in Eiserne Vorhänge verwandeln möchten. Mit welchem Recht? Mit dem Recht des Stärkeren? Mit dem Recht der weißen Haut? Oder einfach nur mit unserem Recht auf Bierbauch und Hüftspeck?

Foto: pixabay/Kyushi

O cool – Slow Wool

Im Zeitalter industriell angefertigter Garn- und Strickwaren macht sich kaum jemand mehr ein Bild davon, was hinter einer Handspinnerei steht, welche Arbeitsgänge nötig sind, bis ein Garn entstanden ist, wie eine Kunsthistorikerin dazu kam, und warum die Preise in ihrem Dawandashop sehr günstig sind.

Slow Wool und Kulturpflege

„Slow Wool“ ist die Antwort von Kathrin Mäder auf die anschwellende Massenproduktion ohne ethische Verantwortung. „Slow Wool“ beinhaltet neben der Rückbesinnung auf unsere kulturellen Wurzeln und altbewährten Fertigkeiten auch Entschleunigung, Nachhaltigkeit, Tierschutz und maximale Transparenz in der Produktion.

Kathrin Mäder ist Kunsthistorikerin, christliche Archäologin und mittlerweile Vollblutspinnerin. Ihre Liebe zum Spinnen entstand über ihr Interesse an kulturgeschichtlichen Zusammenhängen und dem Erhalt alter Traditionen. Sie möchte das Wissen um dieses uralte Handwerk erhalten und durch hippe Ideen an die jüngere Generation weitergeben. „Das Spinnhandwerk wird heute nicht mehr in der offiziellen Listung von Handwerksberufen der Handwerkskammer geführt – ein erheblicher Verlust für unsere Kultur“, erklärt Kathrin Mäder.

Handspinnen schafft nachhaltige Garn-Unikate

Von der rohen Faser bis zum Endprodukt ist es, anders als in der industriellen Herstellung, ein langer Weg. Für 100 g Garn sitzt die Garndesignerin vier bis sechs Stunden am Spinnrad, wobei Vor- und Nachbearbeitung noch nicht mitgerechnet sind. Hier findest Du mehr Infos zu Kathrin Mäder und ihrer Arbeit.

Wider besseres Wissen – mit Gewissen

Weshalb Menschen unbedingt an den Segen des Wachstums glauben wollen

Dass der Wunsch den Willen regiert, kennt man von kleinen Kindern: „Mama, ich möchte ein Stück Schokolade.“ – „Tut mir leid, aber wir haben grade keine da. Heute Nachmittag gehen wir einkaufen, dann kannst ein Stück haben.“ – „Aber ich will die Schokolade jetzt.“ – „Tut mir leid, das geht nicht.“ – Tränen, ein untröstliches Kind, das nicht versteht, dass es etwas, das nicht da ist, nicht haben kann.

Überleben Glaubenssache?

Beim Thema Wachstum verhält sich die gesamte westliche Welt ganz ähnlich. Solange es bei der Theorie bleibt, würde jeder zustimmen: in einer endlichen Welt ist unendliches Wachstum nicht möglich. In der Praxis kommen Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer und Politiker ins Schwärmen, wenn sie Wirtschaftswachstum verkünden können. Da machen auch die Grünen keine Ausnahme, die nicht nur zu Weihnachtsmannzeiten an „Grünes Wachstum“ glauben.

Einen spannenden Blick in die Gedankenwelt der Postwachstumsidee gibt Prof. Niko Paech in folgendem Interview des Südwestrundfunks:

Ich möchte mich hier nicht mit der Pro-Kontra-Diskussion aufhalten, die unter dem Strich darauf hinausläuft, dass Wachstum, wenn es nur immer langsamer und umweltfreundlicher erfolgt, am Ende gar kein Wachstum sei. Vielmehr interessiert mich hier die Frage: Wie kommt es, dass große, nüchtern denkende, gut ausgebildete und logisch denkende Menschen in dieser Angelegenheit ihren gesunden Menschenverstand ausknipsen? Immerhin hängt daran womöglich das Wohl und Wehe des Planeten?

Kommunismus? War mal ganz normal.

Anthony de Mello würde hier vermutlich ganz einfach antworten: Weil sie so programmiert wurden. Und da ist sicher etwas dran. Alles an unserem Leben ist auf Konsum ausgerichtet. Was nichts kostet, ist nichts wert. Nimm einem Menschen sein Geld weg, und er ist erledigt. Von der ersten Nuckelflasche über die Schultüte und den Führerschein bis zum Sarg – zu jedem Lebensschritt gehören Geldausgaben wie die Luft zum Atmen. Und wer wollte schon ohne Luft sein.

Konsum ist uns als Selbstverständlichkeit derart ins Gehirn eintätowiert, dass uns Schenken als etwas ganz Besonderes vorkommt. Und die Idee, Dinge gar nicht zu besitzen, sondern miteinander je nach Bedarf und Bedürftigkeit zu teilen, dürfte die meisten unter uns massiv beunruhigen. Plötzlich stünde die Bedrohung des Kommunismus im Raum. Dabei haben die Menschen den allerlängsten Teil ihrer Geschichte genau so gelebt: organisiert in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern, die – von wenigen Dingen abgesehen – alles miteinander teilten.

Kapitalismus als Lebensentwurf

Glauben wir an den Segen dieses unseres Systems, gehört dazu automatisch der Glaube an Wachstum. Oder möchten Sie Ihr Geld ohne Zinsen anlegen? Der Gedanke an den Verlust des Systems, an das Ende des Kapitalismus, mündet ganz direkt in die Angst vor dem Ende des kompletten eigenen Lebensentwurf. Beruf, Familie, Freiheit, Besitz, Prestige, Urlaub, Komfort, Status, Zukunft – alles wäre augenblicklich gefährdet. Das Paradigma des Habens durchdringt uns wie Blutbahnen zu jeder einzelnen Zelle unserer gesellschaftlichen Existenz. Es gibt geringere Gründe, weshalb wir den Kopf tief in den Sand stecken würden, um von dort aus beschwörend zu rufen: Wir brauchen mehr Wachstum, mehr Wachstum, mehr Wachstum. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb mir diese Rufe immer so dumpf erscheinen. Die Sandschichten über dem Kopf dämpfen den Schall.

LINKS

Pro Wachstum und sehr prominent: http://newclimateeconomy.report/ bzw. http://static.newclimateeconomy.report/wp-content/uploads/2014/08/Besseres-Wachstum-Besseres-Klima.pdf

Das spannende Cradle-to-Cradle-Konzept: http://de.wikipedia.org/wiki/Cradle_to_Cradle

Geo Magazin: Neue4 Ökoinomie – es reicht: http://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/neue-oekonomie-es-reicht-75679.html

Psychische Ressourcen zur Förderung nachhaltiger Lebensstile (Memorandum des Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung): http://www.denkwerkzukunft.de/downloads/MemoPsycho.pdf

Kaufhaussterben – eine Chance?

(Dez. 2014_01) Seit 1.11. ist die Stadt Iserlohn im Sauerland Besitzer ihres Karstadt-Kaufhauses, Karstadt jetzt offizieller Mieter der Stadt. Mehrere Millionen Euro musste die Stadt dafür hinlegen, um die Konsumenten-Bruchbude zu erwerben. Und das kam so: Um Karstadt steht es ohnehin nicht gut, und die Filiale in Iserlohn gehört „zu den gefährdeten Filialen“. Der bisherige Besitzer wollte sie also loswerden. Um zu vermeiden, früher oder später eine Betonruine in der Stadt zu haben, übernahm diese das heikle Objekt.
Spannend an diesem Vorgang sind zwei Vorgänge: einmal das Kaufhaussterben an sich, zum anderen das Engagement des Oberbürgermeisters. Warum sterben Kaufhäuser, Weiterlesen