Ritter Sport: Sehen so Ritter aus?

Bei der Schokoladenherstellung lassen sich Ethik und unternehmerisches Denken nur schwer auseinanderhalten.

Diese unheilige Verknüpfung, würde ich mir wünschen, kennt jeder: Kakaoproduktion und Kinderarbeit in Westafrika, insbesondere an der Elfenbeinküste. Tatsächlich finde ich immer wieder scheinbar gut aufgeklärte Menschen, die davon noch nichts gehört haben. Das erstaunt mich, denn ich bewege mich durchaus in einem Umfeld, wo derlei Informationen vorliegen. Nun gut, ist eben so, daran muss man arbeiten. Wie sinnvoll eine solche Aufklärungsarbeit ist, beweist das in natur veröffentlichte Interview mit Alfred Ritter, einem der Chefs von Ritter Sport.

Den Weltmarkt austricksen

Ritter SportIm Interview taucht die Frage nach dem Umgang mit dem Thema Kinderarbeit ein paarmal auf. Dass Alfred Ritter, Mitglied im Unternehmensbeirat, damit offen umgehen kann, hängt damit zusammen, dass sich das Unternehmen keinen Aktionärsforderungen beugen muss. Ritter ist keine Aktiengesellschaft, sondern ein Familienunternehmen (organisiert als GmbH & Co. KG.) seit über 100 Jahren. Als solches kann es sich leisten, eine 2.500 Hektar große Kakaoplantage in Nicaragua über Jahre hinweg ohne Gewinn aufzubauen. Der Vorteil: Man kann so die Westafrikanische Produktion und Lebensmittelspekulationen auf dem Weltmarkt wenigstens teilweise umgehen.

Bio wird die Plantage aber nicht sein. Das ergibt keinen Sinn. Die Nachfrage nach Ritter Sport Bio bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, außerdem kann Ritter als Handelspartner des konventionellen Handels keine Biomärkte beliefern. Es wird also einen sogenannten integrierten Anbau geben, „möglichst wenig Einsatz von Chemie, dafür aber die Düngung des Bodens durch Abfallprodukte der Kakaofrucht“.

Dank gesundem Menschenverstand proöko

Manche Öko-Entscheidungen haben wohl auch mit gesundem Menschenverstand zu tun. Die gesamte Energieversorgung von Ritter ist nachhaltig. Warum? Alfred Ritter beschreibt, dass die radioaktive Wolke aus Tschernobyl die Haselnussanlagen an der Schwarzmeerküste verdarb. „Das war ein Riesenproblem. Ich habe mir damals gesagt: Wenn sowas passiert, gibt’s keine g’scheite Lösung. Deshalb muss eine Technik abgeschafft werden, wenn sie solche Folgen haben kann.“ Klar ist aber auch: Solche Entscheidungen werden nicht aus einer Unternehmensmehrheit heraus geschaffen, sondern haben eher diktatorischen Charakter. Gut? Oder nicht gut?

Alfred_T_RitterRitter für eine nachhaltige Zukunft?

Apropos Energie-Engagement. Wer weiß schon, dass Ritter Solarenergie-Bereich zu den führenden Unternehmen gehört. Neben Solarworld ist die Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG die einzige deutsche Firma, die den Preiskampf mit den chinesischen Anbietern überlebt hat – Dank eines chinesischen Joint Ventures. Schwäbisch clever, könnte man sagen. Ist Alfred Ritter also ein Ritter für eine nachhaltige Zukunft oder kämpft er einfach nur geschickt fürs eigene Unternehmen? Persönlich halte ich das für eine falsche Fragestellung (auch wenn sie üblich ist). Beide Aspekte lassen sich eben kaum trennen; und der eine befruchtet den anderen und umgekehrt.

(Das vollständige, spannende Interview findet sich in der Zeitschrift natur 01/15.)

O cool – Slow Wool

Im Zeitalter industriell angefertigter Garn- und Strickwaren macht sich kaum jemand mehr ein Bild davon, was hinter einer Handspinnerei steht, welche Arbeitsgänge nötig sind, bis ein Garn entstanden ist, wie eine Kunsthistorikerin dazu kam, und warum die Preise in ihrem Dawandashop sehr günstig sind.

Slow Wool und Kulturpflege

„Slow Wool“ ist die Antwort von Kathrin Mäder auf die anschwellende Massenproduktion ohne ethische Verantwortung. „Slow Wool“ beinhaltet neben der Rückbesinnung auf unsere kulturellen Wurzeln und altbewährten Fertigkeiten auch Entschleunigung, Nachhaltigkeit, Tierschutz und maximale Transparenz in der Produktion.

Kathrin Mäder ist Kunsthistorikerin, christliche Archäologin und mittlerweile Vollblutspinnerin. Ihre Liebe zum Spinnen entstand über ihr Interesse an kulturgeschichtlichen Zusammenhängen und dem Erhalt alter Traditionen. Sie möchte das Wissen um dieses uralte Handwerk erhalten und durch hippe Ideen an die jüngere Generation weitergeben. „Das Spinnhandwerk wird heute nicht mehr in der offiziellen Listung von Handwerksberufen der Handwerkskammer geführt – ein erheblicher Verlust für unsere Kultur“, erklärt Kathrin Mäder.

Handspinnen schafft nachhaltige Garn-Unikate

Von der rohen Faser bis zum Endprodukt ist es, anders als in der industriellen Herstellung, ein langer Weg. Für 100 g Garn sitzt die Garndesignerin vier bis sechs Stunden am Spinnrad, wobei Vor- und Nachbearbeitung noch nicht mitgerechnet sind. Hier findest Du mehr Infos zu Kathrin Mäder und ihrer Arbeit.

Wider besseres Wissen – mit Gewissen

Weshalb Menschen unbedingt an den Segen des Wachstums glauben wollen

Dass der Wunsch den Willen regiert, kennt man von kleinen Kindern: „Mama, ich möchte ein Stück Schokolade.“ – „Tut mir leid, aber wir haben grade keine da. Heute Nachmittag gehen wir einkaufen, dann kannst ein Stück haben.“ – „Aber ich will die Schokolade jetzt.“ – „Tut mir leid, das geht nicht.“ – Tränen, ein untröstliches Kind, das nicht versteht, dass es etwas, das nicht da ist, nicht haben kann.

Überleben Glaubenssache?

Beim Thema Wachstum verhält sich die gesamte westliche Welt ganz ähnlich. Solange es bei der Theorie bleibt, würde jeder zustimmen: in einer endlichen Welt ist unendliches Wachstum nicht möglich. In der Praxis kommen Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer und Politiker ins Schwärmen, wenn sie Wirtschaftswachstum verkünden können. Da machen auch die Grünen keine Ausnahme, die nicht nur zu Weihnachtsmannzeiten an „Grünes Wachstum“ glauben.

Einen spannenden Blick in die Gedankenwelt der Postwachstumsidee gibt Prof. Niko Paech in folgendem Interview des Südwestrundfunks:

Ich möchte mich hier nicht mit der Pro-Kontra-Diskussion aufhalten, die unter dem Strich darauf hinausläuft, dass Wachstum, wenn es nur immer langsamer und umweltfreundlicher erfolgt, am Ende gar kein Wachstum sei. Vielmehr interessiert mich hier die Frage: Wie kommt es, dass große, nüchtern denkende, gut ausgebildete und logisch denkende Menschen in dieser Angelegenheit ihren gesunden Menschenverstand ausknipsen? Immerhin hängt daran womöglich das Wohl und Wehe des Planeten?

Kommunismus? War mal ganz normal.

Anthony de Mello würde hier vermutlich ganz einfach antworten: Weil sie so programmiert wurden. Und da ist sicher etwas dran. Alles an unserem Leben ist auf Konsum ausgerichtet. Was nichts kostet, ist nichts wert. Nimm einem Menschen sein Geld weg, und er ist erledigt. Von der ersten Nuckelflasche über die Schultüte und den Führerschein bis zum Sarg – zu jedem Lebensschritt gehören Geldausgaben wie die Luft zum Atmen. Und wer wollte schon ohne Luft sein.

Konsum ist uns als Selbstverständlichkeit derart ins Gehirn eintätowiert, dass uns Schenken als etwas ganz Besonderes vorkommt. Und die Idee, Dinge gar nicht zu besitzen, sondern miteinander je nach Bedarf und Bedürftigkeit zu teilen, dürfte die meisten unter uns massiv beunruhigen. Plötzlich stünde die Bedrohung des Kommunismus im Raum. Dabei haben die Menschen den allerlängsten Teil ihrer Geschichte genau so gelebt: organisiert in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern, die – von wenigen Dingen abgesehen – alles miteinander teilten.

Kapitalismus als Lebensentwurf

Glauben wir an den Segen dieses unseres Systems, gehört dazu automatisch der Glaube an Wachstum. Oder möchten Sie Ihr Geld ohne Zinsen anlegen? Der Gedanke an den Verlust des Systems, an das Ende des Kapitalismus, mündet ganz direkt in die Angst vor dem Ende des kompletten eigenen Lebensentwurf. Beruf, Familie, Freiheit, Besitz, Prestige, Urlaub, Komfort, Status, Zukunft – alles wäre augenblicklich gefährdet. Das Paradigma des Habens durchdringt uns wie Blutbahnen zu jeder einzelnen Zelle unserer gesellschaftlichen Existenz. Es gibt geringere Gründe, weshalb wir den Kopf tief in den Sand stecken würden, um von dort aus beschwörend zu rufen: Wir brauchen mehr Wachstum, mehr Wachstum, mehr Wachstum. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb mir diese Rufe immer so dumpf erscheinen. Die Sandschichten über dem Kopf dämpfen den Schall.

LINKS

Pro Wachstum und sehr prominent: http://newclimateeconomy.report/ bzw. http://static.newclimateeconomy.report/wp-content/uploads/2014/08/Besseres-Wachstum-Besseres-Klima.pdf

Das spannende Cradle-to-Cradle-Konzept: http://de.wikipedia.org/wiki/Cradle_to_Cradle

Geo Magazin: Neue4 Ökoinomie – es reicht: http://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/neue-oekonomie-es-reicht-75679.html

Psychische Ressourcen zur Förderung nachhaltiger Lebensstile (Memorandum des Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung): http://www.denkwerkzukunft.de/downloads/MemoPsycho.pdf

Umwelt contra Ökologie?

(Nov. 2014_2) Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer provoziert. Das ist ja schon mal was im eher taub-dusseligen Politik-Zirkus. Womit er provoziert? In seinem (ja durchaus erfreulichen) Engagement für den Ausbau der Windenergie (http://www.welt.de/debatte/kommentare/article131181249/Wir-kommen-an-Windraedern-nicht-mehr-vorbei.html) mahnt er zum Umdenken. Auch da kann man voll und ganz mitgehen. Palmer geht es wohl so ähnlich wie mir: Windkraftanlagen gefallen mir, ich finde sie sogar ästhetisch ansprechend. Boris setzt noch eins drauf: Da sie nicht in die unmittelbare Nähe von Siedlungen gebaut werden können, bleibe ja wohl nur die offene Natur. Wenn sie aber dort auch nicht gebaut werden dürften Weiterlesen