Spiritualität ohne Verantwortung?

(efp).- Die Welt geht vor die Hunde. Dem Satz würden mittlerweile eine Menge Menschen zustimmen. Nur: Sie geht MIT UNS vor die Hunde. Genauer: ohne dass wir wirklich viel dagegen unternehmen.

Genugtuung für 1 Euro

Dafür gibt es Gründe, die ein ganzes Buch füllen könnten. Und dieser Blog widmet sich auch diesem Thema von allerlei Seiten. Ein Grund erscheint mir der zu sein, dass das kapitalistische System (und sein scheinbar so freundliches Gesicht: die Konsumgesellschaft) uns unserer Wurzeln beraubt hat. Die Grundprinzipien des Christentums wurden radikal ausgemerzt (oder wer könnte guten Gewissens bei Aldi eine Banane kaufen, wenn er das Prinzip der Nächstenliebe TATSÄCHLICH ernst nähme!) und von philosophischer Seite durch Freiheit und Selbstbestimmung ersetzt. Nur: Wer lebt sie denn? Ansonsten bleibt das banale „Haste was, dann biste was“. Und wer nichts hat, holt sich seine Genugtuung aus dem 1-Euro-Shop.

So viele Menschen, denen ich in meinem Leben begegnet bin, spüren diese verdammte ethische Wurzellosigkeit, diese Beliebigkeit. Und gelegentlich sind mir auch Menschen über den Weg gelaufen, deren Suche bei der AfD und Konsorten geendet hat. Das macht mich eher traurig als wütend.

Tiefe Spiritualität

Um Orientierung zu finden, um ethischen Boden unter den Füßen zu bekommen, wenden wir uns oft spirituellen Themen zu – nicht selten dann aber auch wieder konsumistisch von Workshop zu Workshop pilgernd. Aber immerhin, die Richtung hin zu den seelischen Wurzeln stimmt. Je nach persönlichem Umfeld, Biographie und Sehnsuchtsströmungen landet die eine oder andere bei einem Guru, verwechselt Asanas mit Yoga, lässt channeln oder tut’s gar selbst. Noch einmal: die Richtung stimmt. Nur gälte es jetzt weiterzugehen, weiterzuforschen, tiefer zu spüren, eventuell bis zur Quelle, aus der alles Leben steigt. Dann aber gibt es kein Zurück mehr, keine Furcht vor Verantwortung. Tiefe Spiritualität und Verantwortung für die Welt lassen sich meines Erachtens nicht trennen. Die Konsequenz ist dann deep ecology: Tiefenökologie.

Esoterische versus politische Spiritualität

Eine etwas mildere Sicht der Dinge erlaubt der Ökumenischen Ratschlag „Nachhaltigkeit und Spiritualität“. In seinem Protokoll vom 30.4.2016 findet sich diese Differenzierung:

Das kapitalistische Mantra „Immer mehr !“, also mehr Wachstum, höhere Renditen, klingt hohl; es reißt hierzulande so gut wie niemand mehr vom Hocker, sondern wirkt bedrohlich. Viele Menschen ziehen sich ins Private zurück und pflegen da ihr individuelles

Wohlergehen. Viele versprechen sich von einer esoterischen Spiritualität einen Sinn

im Leben. Sie setzen auf innere Werte und entdecken für sich die Wahrheiten, die in alten Mythen verborgen sind. Das ist eine Spielart von Spiritualität, die sehr häufig die Mitwelt ihrem Schicksal überlässt und eben keine Verantwortung für das Gemeinwesen und das Gemeinwohl über nimmt.

Wir müssen also unterscheiden zwischen einer individualistischen, meist esoterisch geprägten Spiritualität und einer gemeinschaftsbezogenen, also politischen Spiritualität. Sie muss sich mit dem, was die Gemeinschaft zusammenhält, also auch mit Grundwerten und Leitbildern auseinander setzen. Ein wesentliches Merkmal der politischen Spiritualität ist die Übernahme von Verantwortung. Damit hat sie eine starke ethische Komponente. Sie bleibt nicht im Beobachten und Analysieren stecken; sie wird praktisch im Einsatz vor allem für die Benachteiligten in der Gesellschaft. In neueren Papieren und Erklärungen aus der Ökumene wird diese gemeinschaftsbezogene Spiritualität “transformative Spiritualität“ genannt. (Oekumenischer Ratschlag, 30.04.2016 – Frankfurt am Main – Haus am Dom, „Nachhaltigkeit und Spiritualität“, Protokoll)

Zwei Fragen

So bleibt letztlich eine Meditation darüber: Geht das – Verantwortung ohne Spiritualität?

Aber auch: Welchen Wert hat Spiritualität ohne Verantwortung?

2 Kommentare
  1. Arwé sagte:

    Danke für diesen Artikel, Bobby! Erinnert mich daran, meine Spiritualität zu LEBEN. Tagtäglich. So konsequent wie möglich. Auch und gerade beim Konsum. Und im Umgang mit Mitmenschen bzw. der gesamten Mitwelt, deren Teil ich ja bin.

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