Leder mit Gift

Chromgegerbtes Leder ist toxisch für Mensch und Natur. Es gibt Alternativen.

(efp).- Lederjacke – chic. Lederhose oder Lederleggings – cool. Lackleder und Leder-Dessous – rattenscharf. Ledercouch, –armatur und -handtasche – stylisch. Lederschuhe – sowieso. Soweit der bundesdeutsche Alltag. Doch dass mit Leder nicht zu spaßen ist, zeigen der ZDF-Beitrag „Gift auf unserer Haut“ oder der ARTE-Report „Giftiges Leder“. Welches Leid Tiere in den Lederzentren der Welt erfahren, zeigt der preisgekrönte, aber schwer zu ertragende Film „Leiden für Leder“ im Internet.

Chromgegerbtes Leder – Kontaktallergien und Umweltverseuchung

Nicht Leder an sich ist giftig, sondern wird es durch den Einsatz von Chromsalzen, die Chromgerbung. Doppelt giftig wird diese durch unzeitgemäßen Umgang mit Chrom, wie das weltweit in Billiglohnländern – insbesondere in Bangladesch – üblich ist. Das dabei entstehende Chrom VI gehört zu den stärksten Kontaktallergenen überhaupt. Mit anderen Worten: Wer meint, zehn Paar Schuhe haben zu müssen, und sie infolgedessen besonders billig erwirbt – z.B. bei einem Sonderangebot im Discounter-Container –, der holt sich quasi vollautomatisch Gift ins Haus und auf die eigene Haut. Und wer das auch für seine Kinder tut …

Lederverarbeitung: 40 Kilo Haut, 20 Kilo Gift

Zweck der Gerbung ist die Umwandlung von leicht verderblicher Haut zu lange haltbarem Leder. Dabei durchdringen die Moleküle des Gerbstoffs die Zellstruktur der Haut. Um sich eine Vorstellung machen zu können: Um die 40 Kilo schwere Haut eines Bullen europäisch lederfein zu bekommen, werden bis zu 20 Kilo Chemie hineingepumpt. Was Wunder also, dass zwei Lederzentren – Hazaribagh in Bangladesch und Ranippettai in Indien – zu den am stärksten giftverseuchten Regionen der Erde gehören. Über China weiß man zu wenig.

Grünes Leder-Label: nicht in Sicht

Erkennen lässt sich solches Turbochemie-Leder leider nicht, es sei denn, es ist so amateurhaft behandelt, dass man seine Unart schon riechen kann. Weil aber 99 Prozent der Lederindustrie in das schmutzige Geschäft verstrickt sind, gibt es bis heute kein echtes Label, an dem man das eine Prozent Weizen in den 99 Prozent Spreu erkennen könnte. Meist wissen nicht einmal die Zwischenhändler und Händler Genaueres darüber, wie ruchlos die Ware hergestellt wurde, die sie einkaufen und verkaufen. Ausnahmen wie die mit hohen Umweltstandards arbeitende deutsche Lederfabrik Heinen (Marke terracare) bestätigen nur die Regel.

Gütesiegel, bei denen man sich wenigstens darauf verlassen kann, dass kein Chrom VI im Leder ist, sind das „EU Ecolabel“,„Naturleder IVN zertifiziert“ und „Ökotex Standard 100“. Für den „Blauen Engel“, „SG Schadstoff geprüft“ und das „ECARF Qualitätssiegel“ müssen die Chrom-VI-Werte unterhalb fester Grenzwerte liegen. Die Produktionsbedingungen werden nicht geprüft.

Schutz vor giftigem Leder

Was können wir also tun, um uns, unsere Kinder und unsere Mitwelt zu schützen? Jammern jedenfalls hilft nichts. Hier wie in allen anderen Konsumbereichen gilt die Regel Nr. 1: Weniger ist mehr; das heißt also:

  • Lederkleidung und -taschen gibt es in großer Auswahl in Secondhand-Shops.
  • Schuhe so kaufen, dass sie nicht nur zu einem Kleidungsstück passen, sondern universell tragbar sind.
  • Auch Secondhand-Schuhe können noch ganz prima aussehen und sind bei Kleinkindern oft neuwertig; sie fügen der Umwelt keinen neuen Schaden zu.
  • Eigene, noch gute Schuhe, die man nicht mehr will oder braucht, nicht herumstehen lassen, sondern der Wiederverwendung zuführen.

Regel Nr. 2: Nichts kaufen, was „komisch“ riecht.

Regel Nr. 3: Lederwaren mit vegetabiler Gerbung kaufen. Sie ist neben der Rauchgerbung, wie sie in der Steinzeit verbreitet war, das ursprünglichste Gerbverfahren. Traditionell wurde und wird mit Kiefern-, Erlen-, Eichen- und Granatbaumrinde gegerbt, außerdem mit Rhabarber, Kastanie, Galläpfeln und den Blättern des sizilianischen Gerber-Sumach. Vorbildlich, noch mit dem Verfahren der Altgrubengerbung, wird beispielsweise in der 1846 gegründeten Gerberei Csendes in Niedermohr gearbeitet oder in der seit 140 Jahren produzierenden Lederfabrik Rendenbach in Trier. Das Problem beim vegetabilen Gerben: Es dauert Monate, bis das Leder die gewünschten Eigenschaften entwickelt. Um den Gerbprozess drastisch zu verkürzen, werden in der Regel auch vegetabile Leder synthetisch vorgegerbt. So kommt zwar nach wie vor „Chemie“ zum Einsatz, allerdings ist die Menge deutlich reduziert.

Anbieter von pflanzengegerbten Lederwaren finden sich auf den Homepages des Internationalen Verbands der Naturtextilwirtschaft www.naturtextil.de sowie der Europäischen Stiftung für Allergieforschung an der Charité www.ecarf.org (Schwerpunkt Kinderschuhe).

Inwieweit die 4. Empfehlung, vegane Schuhe, tatsächlich empfehlenswert ist, erscheint noch unklar. Damit werden wir uns in einem eigenen Beitrag befassen. Einst steht jedenfalls fest: Mit Tierleid sind sie – zumindest vordergründig – nicht verbunden.

Quellen: Arte; daserste.de; lederpedia.de; natur 01/2016; utopia.de; Wikipedia; ZDF