Beiträge

GLS Bank: Von Demeteräpfeln zu internationalem Investment

Interview mit Christof Lützel, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der GLS Bank

(efp). Die GLS Bank ist ein internationales Phänomen. Motto: „Geld ist für die Menschen da.“ Bekenntnis: „Als Pionier sozial-ökologischer Bankarbeit investieren wir das bei uns angelegte Geld sinnstiftend und transparent.“

In unserem Interview auf der BioFach 2015 erzählte uns Christof Lützel, der seit über 15 Jahren Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der GLS Bank ist, aus dem Nähkästchen. Das ist persönlich und politisch zugleich. Seine offene Art und die Lockerheit seiner Textfreigabe stehen für die angstfreie Atmosphäre der Bank. Themen sind zum Beispiel:

  • Wie kommt jemand ausgerechnet an so einen Job?
  • Welche Philosophie hat die GLS Bank?
  • Wie steht sie zu TTIP?
  • Und wie zum problematischen Thema „Wachstum“?
  • Was ist von ethischen Investments herkömmlicher Banken zu halten?

GLS_Logo-ClaimDer Name der Genossenschaftsbank steht für „„Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“. Beispiel für die Ungewöhnlichkeit des Konzepts: Bei der Kontoeröffnung können die Kunden bestimmen, wo ihr Geld angelegt werden soll. Das gefällt den Menschen: Die Zahl der Kunden ist von 47.500 im Jahr 2005 auf inzwischen rund 190.000 angewachsen. Und auch das gefällt (nicht nur uns): „Wir finanzieren keine Unternehmen, die mit Atomenergie, Bioziden, chlororganischen Massenproduktionen, Verletzung von Arbeits- und Menschenrechten, Embryonenforschung, grüner Gentechnik, Kinderarbeit, kontroversen Wirtschaftspraktiken, Pornografie, der Produktion hochprozentiger alkoholischer Getränke, Rüstung, Tabakproduktion oder Tierversuchen zu tun haben.“

Hier geht’s zum Interview.

99 % Reichtum für 1 % der Weltbevölkerung

Schon 2016 werden 99 % des Weltvermögens nur 1 % der Weltbevölkerung gehören. Zu beneiden sind die Superreichen nicht, jedenfalls nicht bei einer genaueren Betrachtung.

Ich muss gestehen: Auch mir ist der Neidreflex nicht fremd. Einfach nix tun, mich zurücklehnen und nächsten Monat eine Mille mehr auf dem Konto haben – „des waar scho wos!“ [hdt. Das wäre schon etwas], wie der Bayer sagt. Aber dem folgt ein zweiter Reflex auf den Fersen: auf wessen Kosten?

Regen oder Traufe?

Denn Zins und Zinseszins entstehen ja nicht im luftleeren Wirtschaftsraum. Entweder müssen sie von jemandem erarbeitet werden (also Menschen wie uns, die Kredite aufnehmen zu Zinsen, an denen wenige andere verdienen, oder Lohnsklaven [sorry, aber das kann man nicht anders nennen], die anderswo Wertvolles für einen Hungerlohn erwirtschaften) – und das ist vielleicht noch die bessere Variante. Oder sie entstehen als Geldblase im Weltfinanzsystem. Daran verdienen dann nur noch Großinvestoren und Banken, bis die Blase mal wieder platzt und wir alle Milliarden blechen müssen, damit das ganze System nicht kollabiert.

50 % Zinsen oder 1,3 %?

Wie auch immer: Letztes Jahr besaß das reichste 1 Prozent der Weltbevölkerung nur 48 Prozent des weltweiten Gesamtvermögens, nächstes Jahr werden sich die 48 Prozent in 99 Prozent verwandelt haben. Das nennt man exponentielles Wachstum. Nur zum Vergleich: Unsereinem bieten die großzügigsten Geldinstitute zurzeit 1,3 % Zinsen an.

Aber zurück zu den 1 Prozent. Konkret heißt das zum Beispiel, dass momentan die 85 reichsten Menschen so viel besitzen wie 3,5 Milliarden ihrer Mitmenschen (= die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung) zusammen.

Die Welt: Objekt der großen Begierde

Was heißt das? In seinem Klassiker „Haben oder Sein“ schrieb Erich Fromm: „In der Existenzweise des Habens ist die Beziehung zur Welt die des Besitzergreifens und Besitzens, eine Beziehung, in der ich jedermann und alles, mich selbst eingeschlossen, zu meinem Besitz machen will.“ Das aber bedeutet: Alles wird zum benutzbaren Objekt. Würde und Wertschätzung von Mitmenschen, Mitkreatur und Mitwelt sind aus so einer Haltung heraus unmöglich, Respekt wird zu Gier. Und noch viel schlimmer: Auch der Respekt vor sich selbst speist sich nur aus dem Haben. Erst durch ein Mehr werde ich ein Wer.

Spätestens an diesem Punkt verliert sich der Leidreflex und mündet in Trauer. Aber auch in Zorn: So darf das nicht sein. Die Erde ist kein Objekt, sondern unser gemeinsamer Planet. Und der muss bewohnbar bleiben.

Wer den Oxfambericht zur Verteilung des Reichtums im Detail nachlesen will, findet ihn unter http://www.oxfam.de/publikationen/working-for-the-few

Foto: pixabay_Stevebidmead

Ritter Sport: Sehen so Ritter aus?

Bei der Schokoladenherstellung lassen sich Ethik und unternehmerisches Denken nur schwer auseinanderhalten.

Diese unheilige Verknüpfung, würde ich mir wünschen, kennt jeder: Kakaoproduktion und Kinderarbeit in Westafrika, insbesondere an der Elfenbeinküste. Tatsächlich finde ich immer wieder scheinbar gut aufgeklärte Menschen, die davon noch nichts gehört haben. Das erstaunt mich, denn ich bewege mich durchaus in einem Umfeld, wo derlei Informationen vorliegen. Nun gut, ist eben so, daran muss man arbeiten. Wie sinnvoll eine solche Aufklärungsarbeit ist, beweist das in natur veröffentlichte Interview mit Alfred Ritter, einem der Chefs von Ritter Sport.

Den Weltmarkt austricksen

Ritter SportIm Interview taucht die Frage nach dem Umgang mit dem Thema Kinderarbeit ein paarmal auf. Dass Alfred Ritter, Mitglied im Unternehmensbeirat, damit offen umgehen kann, hängt damit zusammen, dass sich das Unternehmen keinen Aktionärsforderungen beugen muss. Ritter ist keine Aktiengesellschaft, sondern ein Familienunternehmen (organisiert als GmbH & Co. KG.) seit über 100 Jahren. Als solches kann es sich leisten, eine 2.500 Hektar große Kakaoplantage in Nicaragua über Jahre hinweg ohne Gewinn aufzubauen. Der Vorteil: Man kann so die Westafrikanische Produktion und Lebensmittelspekulationen auf dem Weltmarkt wenigstens teilweise umgehen.

Bio wird die Plantage aber nicht sein. Das ergibt keinen Sinn. Die Nachfrage nach Ritter Sport Bio bleibt weit hinter den Erwartungen zurück, außerdem kann Ritter als Handelspartner des konventionellen Handels keine Biomärkte beliefern. Es wird also einen sogenannten integrierten Anbau geben, „möglichst wenig Einsatz von Chemie, dafür aber die Düngung des Bodens durch Abfallprodukte der Kakaofrucht“.

Dank gesundem Menschenverstand proöko

Manche Öko-Entscheidungen haben wohl auch mit gesundem Menschenverstand zu tun. Die gesamte Energieversorgung von Ritter ist nachhaltig. Warum? Alfred Ritter beschreibt, dass die radioaktive Wolke aus Tschernobyl die Haselnussanlagen an der Schwarzmeerküste verdarb. „Das war ein Riesenproblem. Ich habe mir damals gesagt: Wenn sowas passiert, gibt’s keine g’scheite Lösung. Deshalb muss eine Technik abgeschafft werden, wenn sie solche Folgen haben kann.“ Klar ist aber auch: Solche Entscheidungen werden nicht aus einer Unternehmensmehrheit heraus geschaffen, sondern haben eher diktatorischen Charakter. Gut? Oder nicht gut?

Alfred_T_RitterRitter für eine nachhaltige Zukunft?

Apropos Energie-Engagement. Wer weiß schon, dass Ritter Solarenergie-Bereich zu den führenden Unternehmen gehört. Neben Solarworld ist die Ritter Energie- und Umwelttechnik GmbH & Co. KG die einzige deutsche Firma, die den Preiskampf mit den chinesischen Anbietern überlebt hat – Dank eines chinesischen Joint Ventures. Schwäbisch clever, könnte man sagen. Ist Alfred Ritter also ein Ritter für eine nachhaltige Zukunft oder kämpft er einfach nur geschickt fürs eigene Unternehmen? Persönlich halte ich das für eine falsche Fragestellung (auch wenn sie üblich ist). Beide Aspekte lassen sich eben kaum trennen; und der eine befruchtet den anderen und umgekehrt.

(Das vollständige, spannende Interview findet sich in der Zeitschrift natur 01/15.)

Kaufhaussterben – eine Chance?

(Dez. 2014_01) Seit 1.11. ist die Stadt Iserlohn im Sauerland Besitzer ihres Karstadt-Kaufhauses, Karstadt jetzt offizieller Mieter der Stadt. Mehrere Millionen Euro musste die Stadt dafür hinlegen, um die Konsumenten-Bruchbude zu erwerben. Und das kam so: Um Karstadt steht es ohnehin nicht gut, und die Filiale in Iserlohn gehört „zu den gefährdeten Filialen“. Der bisherige Besitzer wollte sie also loswerden. Um zu vermeiden, früher oder später eine Betonruine in der Stadt zu haben, übernahm diese das heikle Objekt.
Spannend an diesem Vorgang sind zwei Vorgänge: einmal das Kaufhaussterben an sich, zum anderen das Engagement des Oberbürgermeisters. Warum sterben Kaufhäuser, Weiterlesen