Beiträge

Anbauverband Biokreis – wer oder was ist das?

Viele Menschen glauben, mit dem Kauf eines Bioproduktes schon gut gehandelt zu haben. Natürlich ist Bio, auch EU-Bio, besser als konventionell. Trotzdem stellt sich zunehmend die Frage, wo denn die Unterschiede liegen. Der „Biokreis“ gehört zu den kleineren, weniger bekannten Öko-Anbauverbänden. Immerhin gibt es ihn seit 1979, er gehört also zum Bio-Urgestein. Im folgenden BioFach-Interview mit Heidi Kelbetz (zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Biokreis e.V.) geht es unter anderem darum, wie der Bio-Gedanke gehalten werden kann, und damit letztlich auch darum, welchen Gefahren er ausgesetzt ist.

ecoFAIRpr: Der Biokreis – wer oder was ist das?

BiokreisDer Biokreis ist ein eingetragener Verein, ein ökologischer Bauernverband. Wir sind ein Verein von ökologisch arbeitenden Landwirten, die wir mit ebenfalls ökologisch arbeitenden Verarbeiterbetrieben, Händlern oder Gastronomen verbinden, und so bauen wir unsere Bio-Netzwerke auf.

ecoFAIRpr: Ist der Verband regional oder deutschlandweit tätig?

Beides: Wir sind regional, weil uns das regionale Arbeiten sehr am Herzen liegt, aber wir sind auch bundesweit aufgestellt. Man kann bei uns auch Mitglied werden, wenn man nicht aus Bayern kommt. Sitz des Vereins ist Passau, wir haben aber weitere Geschäftsstellen in Hessen und in Nordrhein-Westfalen. Das sind eigene Erzeugerringe, die jeweils ihre Mitglieder haben, und wir haben sogar einen Bio-Bäcker aus Hamburg als Mitglied oder auch einen Putenbetrieb aus Mecklenburg-Vorpommern.

ecoFAIRpr: Jetzt sind wir hier gerade auf der BioFach [Weltleitmesse für Biolebensmittel], und Sie sind zum 5. oder 6. Mal hier. Können Sie uns Ihren Eindruck von der Entwicklung, vom Erleben der Messe schildern und auch von Ihrer Vereinsarbeit berichten? Ich denke, die Entwicklung der Messe und die Entwicklung der Vereinsarbeit haben sich in den letzten Jahren ähnlich verändert. Ich würde vermuten, das läuft parallel – oder nicht?

Nicht so ganz, denn auf der BioFach findet doch auch das „hochglanzpolierte“ Bio statt, das nicht unbedingt unsere Baustelle ist. Wir sehen uns ganz stark als die Bäuerlichen, die Regionalen, die Fairen – ich will jetzt niemandem unterstellen, dass er nicht fair wäre. Aber wir versuchen, uns wieder mehr an den ursprünglichen Bio-Gedanken zu erinnern, also daran, dass auch die krummen Gurken gegessen werden, dass sich Karotten mit Erde dran im Kühlschrank länger halten und man sie deswegen gar nicht so lange lagern muss, usw. Also diesen ursprünglichen Gedanken: Man nehme ein Huhn und verwerte es als Ganzes und nehme nicht nur die Brust und züchte entsprechende Rassen … Wir versuchen uns recht stark wieder darauf zu besinnen und daran zu orientieren. Und im Gegensatz dazu geht die BioFach doch immer stärker Richtung – ja, mir fällt kein besseres Wort ein – hochglanzpoliertes Bio.

ecoFAIRpr: Ein interessantes Statement. Denn ein Thema, um das es uns geht in unserer Öffentlichkeitsarbeit, ist: Bio geht hoch, geht möglicherweise gleichzeitig der Bio-Gedanke runter? Vielleicht sieht ja in 15 Jahren die Firma Wohlfahrt so aus wie die Firma Aldi, und man sagt sich: Was ist daraus geworden? Man arbeitet mit ähnlichen Methoden, versucht andere vom Markt zu drängen und, und, und … Sehen Sie die Gefahr, dass durch den Boom der Biobranche der alte Bio-Gedanke verloren geht?

Was mir dazu einfällt, ist das Thema: Woher kommt die Rohware? Wir sehen hier auf der BioFach sehr viele Unternehmen, die auch sehr international arbeiten, und das will ich auch gar nicht in Abrede stellen … Aber wir haben nun einmal das Ziel – erklärt sogar von der bayerischen Staatsregierung –, auch in Deutschland mehr Ökolandbau zu haben und alle Vorteile, die der Ökolandbau mit sich bringt, in Deutschland nutzen oder erleben zu können bzw. für uns und unsere Umwelt in Anspruch zu nehmen. Und das funktioniert eben nicht, wenn die Bioware, die zum Glück immer noch bio ist, teilweise ganz großräumig international bezogen wird.

ecoFAIRpr: Richtig, man kann auch die Kartoffeln aus Ägypten importieren statt aus der Oberpfalz!

Ganzjährige Verfügbarkeit etwa steht dem eigentlichen Bio-Gedanken entgegen. Das heißt, wer ganzjährig Tomaten essen will, kann sich nicht ganzjährig ökologisch ernähren. Das funktioniert nicht, weil die Tomaten, die aus Spanien kommen – so sehr sie bio sind –, einen sehr großen ökologischen Fußabdruck hinterlassen.

ecoFAIRpr: Wie sieht das für euren Anbauverband aus: Könnt ihr euch von dem Immer-mehr-Wachstum-Gedanken, der ja ein typischer alter Marktgedanke ist, lossagen oder inwiefern seid ihr gezwungen, doch mitzuschwimmen?

Biokreis_Logo_regional_und_fair_2007Ich denke, Marktwachstum ist etwas Grundlegendes für jede Form von Organisation oder Unternehmung. Stillstand funktioniert in den seltensten Fällen. Manchmal kann man sich auch gesund schrumpfen, aber dann wird auch wieder eine gewisse Form von Wachstum einsetzen. Wir wollen auch wachsen, weil wir sagen: Unsere Idee ist gut und so, wie wir Ökolandbau verstehen und vernetzen und fördern, hätten wir gerne, dass er sich ausbreitet. Insofern wollen wir auch wachsen, indem wir an Mitgliedern wachsen – sowohl im landwirtschaftlichen als auch im verarbeitenden Bereich. Bei wachsen und Landwirtschaft fällt einem sofort ein: wachsen oder weichen – das ist der Trend, dem wir gerne etwas entgegensetzen wollen. Dieser Trend ist ja noch längst nicht gestoppt, nur weil das politisch nicht mehr so gewollt ist wie vor 30 Jahren. Damals war das ganz klar der Weg: wachsen oder weichen. Aber wir sehen uns eben als bäuerlicher Verband und glauben, dass das auch eine sehr wichtige Position ist. Bäuerlich ist gar nicht so leicht zu definieren, wir haben in etwa folgende Definition für uns gefunden: Wir wollen die kleinen Höfe, denen es nicht in erster Linie um mehr und ums Wachsen geht, fördern, ihnen unter die Arme greifen und sie so gut vernetzen, dass sie nicht nur überleben, sondern dass sie eine Zukunft haben und diesem Wachsen oder Weichen entrinnen können.

ecoFAIRpr: Das ist ein wunderbarer Gedanke. Es bedeutet im Grunde genommen, dass ihr der Monopolisierung, die der klassische Markt typischerweise mit sich bringt, einen anderen Gedanken entgegensetzt.

Ja, uns ist es eigentlich in allen Bereichen lieber, wenn es Vielfalt und viele Kleine gibt, und da spielt wieder das Regionale hinein. Wenn man sich auf seine Region begrenzt – nicht aus Zwang, sondern aus dem idealistischen Gedanken heraus, dass es möglich sein muss, ein Brot zu essen, dessen Inhaltsstoffe mindestens zu 95 Prozent aus der näheren Umgebung kommen –, dann können viele kleine Bäcker nebeneinander wunderbar davon leben. Und dann ist es nicht notwendig, einen Betrieb so lange aufzupumpen, bis er den Gesetzen von ständiger Verfügbarkeit etc. etc. genügt, weil das Produkt nicht mehr individuell ist und weil es auch gar nicht mehr individuell verkauft werden kann. Diese ganzen Mechanismen, die greifen, wenn ein Betrieb sehr stark wächst – die müssen nicht unbedingt sein.

ecoFAIRpr: Wie sieht es denn mit anderen Anbauverbänden aus? Sie befinden sich ja zwangsläufig im Wettbewerb mit anderen Anbauverbänden. Ein Verband ist nach dem, was Sie gerade gesagt haben, auf der einen Seite ein ideelles Werkzeug, auf der anderen Seite muss der Verband aber natürlich selbst leben, auch wirtschaftlich überleben können, und dazu braucht er immer mehr Mitglieder.

Wir glauben, dass es wie in allen Bereichen ist: Konkurrenz belebt das Geschäft! Wir meinen, dass es für die Entwicklung der ganzen Ökobranche und auch für die Entwicklung der Ökolandwirtschaft sehr gut und wichtig ist, dass es mehrere Akteure gibt. Für uns wäre es eine nicht sehr angenehme Vorstellung, es wie in Österreich zu machen und das Ganze unter einen Hut zu packen … Klar ist da auch eine gewisse Konkurrenz, aber die Potenziale des Ökolandbaus sind viel größer, als sie bisher gelebt oder genutzt werden, und es ist nicht so, dass, weil der eine wächst, für den anderen nichts mehr übrig bleibt.

ecoFAIRpr: Aber momentan stagniert doch die Zahl der sich neu auf den Markt begebenden Biobauern eher. Sehe ich das richtig?

Ja, dazu fällt mir die vorherige Frage wieder ein: wie die BioFach sich entwickelt mit diesem starken Boom und dem ständig zweistelligen Wachstum am Biolebensmittelmarkt. Wir als Anbauverband haben ganz andere Jahre hinter uns: In den letzten zwei Jahren gab es – egal, ob das Bioland, Biokreis oder Naturland war –, an Fläche wie an Betrieben nur einen minimalen bis fast gar keinen Zuwachs. Wir haben aber die große Hoffnung, dass es sich in diesem Jahr ändert, denn wir haben jetzt viel bessere Förderbedingungen – in Bayern wird sogar die höchstmögliche Förderung pro Hektar gezahlt sowohl für die Umstellung auf als auch für die Beibehaltung von Ökolandbau. Und die konventionellen Preise gehen zum Glück wieder runter. Das war ja auch ein großes Problem, die hohen Preise im konventionellen Bereich. Was wir noch nicht gelöst haben, ist das Problem der Pachtpreise durch Biogasanlagen, durch die ganzen erneuerbaren Energien, aber es gibt momentan gute Bedingungen fürs Umstellen auf Ökolandbau und es gibt einige Landwirte, die in diesem Jahr auf den Zug aufspringen.

ecoFAIRpr: Frau Kelbertz, herzlichen Dank für das Gespräch!

 

 

 

Palmöl hui, Palmöl pfui

Palmöl wird uns häufig unbemerkt untergejubelt. Aber wir können uns dagegen wehren.

(efp).- Palmöl, das hat sich rumgesprochen, bedeutet vor allem: Rodung von Regenwald. Ethisch und ökologisch gesehen ist Palmöl also meistens pfui. Aber wer isst schon Palmöl? Pur tun das nur wenige, in Schokoaufstrichen und Schokoriegeln, in Speiseeis, Keksen, Tiefkühlpizzen und Fertigsuppen aber viele. Und in Kosmetika und Waschmitteln ist es auch drin. Aber gibt es nicht auch „Palmöl hui“, solches, das man verzehren kann, ohne gleich ein Stück Umweltzerstörung in die Pfanne zu gießen?

Bio-Palmöl braucht nicht „nachhaltig“ zu sein

Nun könnte man ja vermuten, bei Bio-Palmöl sei das anders. Doch bio ist eben bio; mit fair und nachhaltig hat das nichts zu tun. Man kann ja Ölpalmen ökologisch anbauen, nachdem die Bulldozer erst mal geräumt und die internationalen Holzfirmen kräftig Gewinne eingestrichen haben. Zimperlich geht’s in der Branche nicht zu. Erst vor zwei Wochen wurde der Menschenrechtler und Palmöl-Aktivist Jopi Peranginangin in Jakarta ermordet. Zu diesem Thema schreibt „Rettet den Regenwald“: „Auch die Biobranche setzt voll auf Palmöl. In weit über 400 Bioprodukten der bekannten Hersteller wie Alnatura, Allos, Rapunzel usw. ist Palmöl enthalten. Bei deren Lieferanten, der Daabon-Gruppe in Kolumbien, hat Rettet den Regenwald schwere Unfälle und Leckagen, Wasservergeudung, Umweltverschmutzung, Rodungen und Landvertreibung von Kleinbauern festgestellt. Auch hier dehnen sich die riesigen Ölpalm-Monokulturen auf tausenden Hektar Land aus. Die verdienen nach Ansicht von Rettet den Regenwald auf keinen Fall ‚Bio‘siegel für ‚ökologische‘ Landwirtschaft und ‚Fair Trade‘.“

RSPO-Siegel ist das Palmöl-Feigenblatt

Und zum gern als Feigenblatt verwendeten RSPO-Siegel (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl) merkt „Rettet den Regenwald“ an: „Ziel des Industrielabels ist es, die Produktion und den Absatz von Palmöl weiter zu steigern … Dabei schließt RSPO nicht einmal die Regenwaldrodung aus … Die meisten der sozialen Aspekte, die durch den RSPO definiert werden, sind allgemeine Grund- und Menschenrechte … Bauern und Indigene [werden] von ihrem Land vertrieben, bedroht und verhaftet, wenn sie sich gegen den Landraub wehren. Die Einhaltung der Kriterien wird nicht ausreichend überprüft, Verstöße kaum geahndet … 256 Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt haben bereits 2008 RSPO als Etikettenschwindel abgelehnt.“

Niemand muss Palmöl-Produkte kaufen

Sind wir der Palmöl-Mafia also auf Gedeih und Verderb ausgeliefert? Nein. Denn seit 2014 gibt es eine Kennzeichnungspflicht für Palmöl in Lebensmitteln. Allein: Wer nimmt sich wirklich die Zeit, überall das Kleingedruckte zu lesen, dann das Produkt wieder ins Regal zurückzustellen und dafür Ersatz zu suchen? Anders ist das natürlich, wenn wir selbst ohne Fertigprodukte kochen. Aber auch, wenn wir vorproduzierte Lebensmittel verwenden, gibt es einen Ausweg, den man kennen sollte. Auf Umweltblick gibt es umfangreiche Listen von Produkten ohne Palmöl: Lebensmittel, vegane Lebensmittel, Baby- und Kindernahrung, Kosmetika und Reinigungsmittel sowie Unternehmen und Online-Shops, die keine Produkte mit Palmöl verkaufen.

Möchte man bei Kosmetika und Reinigungsmitteln am liebsten bei „seinem Produkt“ bleiben, kann man im „Palmöl-Schnellcheck“ nachschauen, unter welchen Inhaltsstoffen die Firmen ihre Palmölzutaten „versteckt“ haben.

Ökomode oder vom Ende der Jesuslatschen

Öko-Textilien liegen im Trend – und können mit konventioneller Mode locker mithalten

Lohas finden, genießen könne man nur auf einen gesunden Planeten. Sie frönen einem „Lifestyle of Health and Sustainability“, einem Lebensstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit, verdienen meist ganz ordentlich, haben Spaß am Leben, machen sich im Zweifelsfall selbstständig und achten auch im Harz-IV-Stadium noch auf gutes Aussehen, dann eben vom Flohmarkt.

Ihnen ist der Gang zum Bio-Supermarkt so selbstverständlich wie ihren Eltern einst der Weg zu Rewe. Statt Jesus-Latschen tragen sie Designer-Schuhe und -Klamotten aus fairem Handel. Denn auf eine selbstverständliche Art verbinden sie individuelles Wohlergehen mit der Sorge um den Planeten. Und sie sind Multiplikatoren. Sie tragen ihre Botschaft in die Welt, bloggen, chatten, twittern und vernetzen sich. Szenekenner schätzen, dass Lohas im Vergleich zur generellen Bevölkerung andere Menschen dreimal häufiger beeinflussen.

Ökomode11 (Foto Dreams_and_doors)Ökomode-Markt boomt, konventioneller schwächelt

Weil potenzielle Lohas einer Nielsen-Studie von 2008 zufolge ca. ein Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen, sind inzwischen auch Öko-Textilien Trend. Auf den Pret-à-Porter- Schauen in Paris gewinnt die entsprechende Sektion „So Ethic“ jährlich an Bedeutung. Dem Textilmarkt ergeht es damit ähnlich wie vor einigen Jahren dem Lebensmittelmarkt. Für konventionelle Textilien interessieren sich die Deutschen immer weniger. 1970 gaben sie noch zehn Prozent ihres Einkommens dafür aus, 2010 waren nur noch rund fünf Prozent. Der Organic Cotton Market Report hingegen schätzt die durchschnittlichen Wachstumsraten für Produkte aus Biobaumwolle auf 116 Prozent pro Jahr. Die Gesamtmenge an Biobaumwolle im Jahr 2012 wurde auf 138.813 Tonnen weltweit geschätzt, etwa 75 Prozent kommen aus Indien.

Nach kbA nun kbT

Das gewachsene Selbstbewusstsein der Branche äußert sich in Markennamen wie „Göttin des Glücks“, „Fairliebt“ oder „Greenality“. „Umasan“ setzt noch eins drauf und bezeichnet sich gar als „erstes veganes High-Fashion-Label“. Am sexy gewordenen Ökobewusstsein können sich die Großen der Branche nicht mehr vorbeimogeln. C&A bietet Öko-Jeans an, die preislich ihre konventionellen Mitbewerber unterbieten. Schwer ist das nicht, denn bei den bis zu 100 Verarbeitungsschritten von Textilien macht das Material nur einen Bruchteil der Gesamtkosten aus. H&M verarbeitete 2008 bereits 3.000 TonnenÖkomode10 (Foto Brainshirt) Öko-Baumwolle, 2013 sollen es 15.000 Tonnen sein, C&A kam 2009 auf 12.000 Tonnen. Kontrolliert wird über die Organisation „Organic Exchange“. Selbst der Cotton-Dinosaurier Levi’s mischt inzwischen am Markt mit. Doch der Trend wirkt nicht nur bei Baumwolle. Für Wolle aus rücksichtsvoller Tierhaltung – statt knallharter australischer Massenschafhaltung – setzt sich der Begriff kbT durch, „kontrolliert biologische Tierhaltung“, analog zu kbA: kontrolliert biologischer Anbau. Große deutsche Öko-Bekleidungsfirmen wie Hess Natur, Living Crafts oder Engel Naturtextilien werben bereits mit dem Begriff.

I love My Planet

Wünschenswert wäre allerdings, dass hinter dem Begriff Öko-Baumwolle auch die sozialen Bedingungen in den Produktionsländern und die umweltgerechte Verarbeitung auf dem Weg vom Rohstoff bis zum fertigen Textilprodukt deutlicher ins Visier geraten. Die Schweizer Öko-Textilfirma Remei (mit Kunden wie Globetrotter, Greenpeace, Mammut, elkline, propheten, Grüne Erde) bringt die neue Perspektive auf den Punkt: „Wer Mode trägt, kann auch Verantwortung tragen“ und: „Nur wer den Menschen achtet, wird dauerhaft erfolgreich sein.“ Nach diesen Prinzipien arbeitet die Firma mit über 8.000 Kleinbauern in Indien und Tansania zusammen. Trendsetter wie der niederländische Modeanbieter Kuyichi wissen darum und werben: „We give full transparency of our sustainable clothing and fair working conditions“, und fügen für die Lohas hinzu: „We never lose sight of our style conscious approach. We create style.“

Ökomode04 (Foto_Götting des Glücks)Etliche deutsche Firmen haben sich auf Öko festgelegt, so die Kölner Armed Angels („Bio ist bei uns kein Trend, sondern Einstellung“), die Berliner Bio Shirt Company („i love my planet entspricht dem kern unserer firmenphilosophie“), die Kornwestheimer Mode-Designerin Daniela Lehle oder der Hamburger Shirtshersteller „Verliebt“. Letzterer lässt seine Bioprodukte in Kenia nähen und garantiert „sichere Arbeitsbedingungen, feste Löhne und natürlich keine Kinderarbeit“. Von jedem verkauften Kleidungsstück wandern 50 Cent in einen Fond für Microkredite. An konsequente Vegetarier richtet sich der britische Beyond Skin. Das Unternehmen bietet konsequenterweise Schuhe ohne Leder zu Preisen an, die sich mit konventioneller Mode messen können, Versand weltweit. Der dänische Kult-Öko-Anbieter Noir verpflichtet sämtliche Lieferanten auf die eigenen Ökoprinzipien. Die Raison d’être der Firma fasst zusammen, was die Branche als werbewirksame Zukunftsziele für sich verbuchen könnte: „sexiness, luxury, fashion and corporate social responsibility can work beautifully together in harmony“.

Ökomode02 (Foto_Götting des Glücks)Neues Leben mit Nueva Vida

Wie segensreich sich der neue Trend auswirkt, zeigt die Nueva Vida Fair Trade Zone. Nach der Zerstörung der Sweatshops-Arbeitsstätten durch den Hurrikan Mitch konnte die Kooperative mit Hilfe einer Non-Profit-Organisation innerhalb weniger Jahre so weit aufgebaut werden, dass dort etwa 40 Arbeiterinnen in Vollzeit beschäftigt sind, keine Arbeiterinnen im herkömmlichen Sinn, sondern „owner-workers“, denn Gebäude und Maschinen sind Eigentum der Mitglieder, die Löhne, Arbeitszeiten und Investitionen gemeinsam entscheiden. Hergestellt werden T-Shirts, Blusen und Babykleidung aus biologisch angebauter Baumwolle mit GOTS-Zertifizierung.

Öko + faire Textilien weltweit

Green Showroom Salonshow - Mercedes-Benz Fashion Week Berlin Autumn/Winter 2015/16Unabhängig von den mehr oder weniger bekannten Firmen können sich Verbraucher an Labels und zu „fairwear“ orientieren. Irreführend ist der Standard „Öko-tex 100“. Mit öko oder fair hat er nichts zu tun, sondern legt lediglich eine gewisse Schadstoffarmut im Textil unterhalb festgelegter, relativ niedriger Höchstwerte fest. Weit empfehlenswerter ist „OEKO-TEX MADE IN GREEN“. Hier werden neben der Unbedenklichkeit auch die Umweltfreundlichkeit und die sozialen Bedingungen der Herstellung geprüft. Ähnlich dem Blauen Engel vergibt die wenig transparente „Euroblume“ der EU ihr „EU Ecolabel“ auf einem relativ niedrigen Niveau: Die ausgezeichneten Produkte müssen weniger schlimme Umweltauswirkungen haben als vergleichbare ungesiegelte Waren. Soziale Kriterien werden überhaupt nicht berücksichtigt.

Dem IVN sei Dank

Sehr hohe Anforderungen auch hinsichtlich der sozialen Kriterien setzt der Naturtextil-Standard des Internationalen Verbandes der Naturtextilwirtschaft. Textilien tragen dann den Hinweis „IVN-zertifiziert“. Den bisher höchsten Standard im Bereich Naturtextilien erreichen Kleidungsstücke mit „IVN-zertifiziert BEST“. Bei der Ausarbeitung des weltweit geltenden Standard GOTS (Global Organic Textile Standard) war der IVN maßgeblich beteiligt. GOTS gibt es in zwei Stufen (label-grades): „organic“ (bio) bzw. „organic – in conversion“. Hier dürfen nur fünf Prozent der Fasern aus konventionellem Anbau stammen oder synthetisch sein. Bei GOTS „made with X% organic“ bzw: „made with X% organic in conversion“ muss wenigstens die angegebene Prozentzahl aus Bio-Anbau stammen. Ausnahmen gelten für Socken, leggings und Sportswear. Dort dürfen bis zu 25 Prozent synthetische Fasern beigemischt werden. GOTS verlangt generell soziale Mindeststandards, die überprüft werden.

Wie kompliziert die Kontrolle von Ökotextilien ist, belegt die Untersuchung der Geschäftspraktiken von Ökotextilfirmen, die Ende 2011 von der Christliche Initiative Romero e.V. (CIR) in Kooperation mit Südwind Österreich und dem Polish Green Network durchgeführt wurde. So erhielt die Schweizer Remei AG, die für Greenpeace oder den Deutsche Evangelische Kirchentag produziert, beispielsweise eine insgesamt gute Bewertung. Dennoch konnte Remei nicht belegen, dass existenzsichernde Löhne in den Zulieferfabriken entlang der textilen Herstellungs- und

Produktionskette gezahlt werden. Auch „die glaubhafte Überprüfung der Einhaltung sozialer Kriterien“ wurde als „unzureichend“ empfunden.

Fair Wear statt Fair Trade

In den Reigen der Textil-Labels gehört auch ein Prüfzeichen, das mit Ökomode gar nichts zu tun hat: das Zeichen der Fair Wear Foundation. Es prüft nicht die Textilqualität, sondern die Qualität der Arbeitsbedingungen, ist also letztlich ein Sozialstandard. Firmen, die der FWF beitreten, müssen nicht den Zielstandards entsprechen, sondern verpflichten sich, diese anzustreben. Das Siegel darf nur dann ins Endprodukt eingenäht werden, wenn die Standards tatsächlich erfüllt wurden. Ähnlich wie die Fair Wear Foundation arbeitet Social Accountability International mit ihrem Standard SAI 8000.

Der GOTS-Standard

Der GOTS legt weltweit verbindliche Anforderungen für jedes einzelne Glied der textilen Herstellungskette fest. Genetisch manipuliertes Baumwoll-Saatgut, das auf Einsatz von schützenden Chemikalien angewiesen ist, ist verboten. Der Baumwollanbau muss überwiegend unter kontrolliert-biologischen Bedingungen stattfinden. Chemische Entlaubungsmittel sind verboten, so dass zwangsläufig von Hand geerntet werden muss. So wird die Ernte ausschließlich vollreifer Baumwollkapseln möglich und damit auch eine höhere Qualität.

Der GOTS verbietet Kinderarbeit und definiert soziale Mindeststandards mit fairen Arbeitsbedingungen und -löhnen. Bei der Weiterverarbeitung gelangen üblicherweise viele chemische Zusätze ins Gewebe. Der GOTS setzt auf umweltschonende Verfahren mit Hilfe von Hitze, Feuchtigkeit und Druck. Glanz und Flausch wird ebenfalls chemiefrei auf mechanisch-physikalischem Weg erzeugt. Gebleicht wird auf Sauerstoffbasis mit schwermetallfreien Farbstoffen. Zum Schutz der Umwelt ist eine zweistufige Kläranlage vorgeschrieben. Bei der Endfertigung sind PVC, Chrom oder Nickel als allergene und chemisch belastete Bestandteile tabu.

IVN-zertifiziert BEST

Noch einmal übertroffen werden die GOTS-Bedingungen vom Standard „IVN-zertifiziert BEST“. Es ist sozusagen das Ökomode-Premium-Label. Alle Textilien müssen zu 100 % aus zertifizierten ökologischen Materialien hergestellt sein; dieser Anspruch schließt auch Stickgarne oder Bänder ein. Die Liste zugelassener Hilfsmittel und Farben,die bereits bei GOTS erheblich eingeschränkt ist, ist noch einmal strenger. Verboten sind auch optische Aufheller sowie die Glanzbehandlung von Garnen mit Natronlauge, das Mercerisieren.

Biobaumwolle verbraucht weniger Wasser

Ökomode01 (Foto_Götting des Glücks)Für die Produktion von 1 kg konventioneller Baumwolle werden je nach Anbaugebiet zwischen 10.000 und 29.000 Liter Wasser benötigt, bei Bio-Baumwolle sind es „nur“ rund 7.000 Liter. Das hat zwei Gründe:

– Ökologisch bewirtschafteter Boden kann mehr Wasser speichern und braucht deshalb bis zu 25 Prozent weniger Wasser.

– Kontrolliert biologischer Anbau und effiziente Bewässerung gehören zusammen. Statt Flächenbewässerung wird der Boden mit Hilfe von Tröpfchenbewässerung unter der Erdoberfläche mit Wasser gesättigt, so dass nichts verdunstet und der Wasserverbrauch um rund 50 Prozent gesenkt werden kann.

Solide Öko-Fashion-Infos

… im Internet gibt es zum Beispiel unter

http://fair-zieht-an.synagieren.de
www.gruenemode.org
http://www.naturtextil.de

Modebegeisterte finden unter http://ethicalfashionshowberlin.com/aussteller/ 1000 Anregungen, wie Ökofashion aussehen kann.

Lektüre-Tipps

– Martina Hahn/ Frank Herrmann, Fair einkaufen – aber wie? Der Ratgeber für Fairen Handel, für Mode, Geld, Reisen und Genuss, 248 S., 19,90 Euro, Brandes & Apsel Verlag 2010, ISBN 978-3-86099-610-2

– Andreas Schlumberger, 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Welt zu retten. Und wie Sie dabei Geld sparen, 244 S., 14,95 Euro, Westend Verlag 2009, ISBN 978-3-93806-019-3

– Kirsten Brodde, Saubere Sachen. Wie man grüne Mode findet und sich vor Öko-Etikettenschwindel schützt, 256 Seiten. 16,95 Euro, Heyne Verlag 2009, ISBN 978-3-45328-003-8

Quellen

Die Seiten der genannten Organisationen bzw. Anbieter; alnatura.de; brigitte.de; ci-romero.de; Grüne Erde; gruenemode.com; Interuniversitäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur,Graz; naturtextil.de; sueddeutsche.de; taz.de; VCD

Fotos von oben nach unten:

1. Dreams and Doors
2. Brawinshirt
3.+6.+7. Green Showroom
4.+5.+8.-11. Göttin des Glücks

Pizza essen, aber richtig

Sogar beim Pizzaessen kann man voll danebengreifen. Und denkt dabei noch, man täte etwas Gutes. Zu den Marktführern bei Bio-Pizzen gehört die nicht gerade unbekannte Firma Wagner. Mit anderen Worten: Es gibt eine ziemlich große Anzahl von Menschen, die diese Bio-Pizzen kaufen – und damit übelste Marktverhältnisse finanzieren. Wie das sein kann? Ganz einfach: Das einstige Familienunternehmen Wagner war so erfolgreich, dass sich einer der Haie im Teich der Lebensmittelindustrie, Nestlé, für Wagner zu interessieren begann. Und schließlich die Firma 2012 mit Stumpf und Stiel aufkaufte. Wer also heute eine Wagner Biopizza in seinen Einkaufskorb legt, entscheidet sich an der Kasse dafür, Nestlé zu finanzieren. Wer wissen möchte, was an Nestlé so gar nicht stimmt, der kann gerne bei Wikipedia nachlesen.

Weil ich aber auch gerne etwas Positives zu diesem Thema beitragen will, möchte ich an dieser Stelle die Pizzen von followfish empfehlen. Die habe ich gestern auf der BioFach in Nürnberg probiert und musste feststellen: Hätte ich’s nicht besser gewusst, dann hätte ich auf einen edlen Italiener getippt. Könnte im Restaurant nicht besser munden. Andere korrekte Anbieter sind zum Beispiel Biopolar oder Natural Cool. Wie die allerdings schmecken, kann ich nicht sagen. Probieren lohnt sich bestimmt.

Hier findest Du mehr Informationen zum Thema Bio-Pizza.

Gaia Media – gute Nachrichten für die Welt

Wer im Netz so wie ich zwangsläufig viel unterwegs ist, muss sich disziplinieren, weil er sonst zu gar nichts kommt. Trotzdem schau ich natürlich mal hier- und dorthin. Und an manchen Tagen, so wie heute, stoße ich auf kleine Juwelen für die Welt. Als eine solche erscheint mir GAIA MEDIA. Es ist kaum zu glauben: Die Stiftung wurde schon 1993 in Basel gegründet mit dem einzigen Zweck, „Informationen zu vermitteln, die zu einem ganzheitlichen Verständnis der Natur und des menschlichen Daseins beitragen“. Ja wunderbar.

Nur: Warum höre ich heute erstmals davon? Wie schade. Auch: Wie schade, dass die Öffentlichkeitsarbeit für so eine gute Sache so wenig funktioniert hat, dass ich trotz allen Umtuns davon noch nicht gehört habe. Natürlich würde ich mich freuen, von der Stiftung einen PR-Auftrag zu erhalten. Ich würde vermutlich jubeln. Aber auch ohne zu jubeln mache ich gerne auf deren wertvolle Arbeit aufmerksam. Nochmal ein Originalzitat: „Wir recherchieren gute Nachrichten, positive Entwicklungen und hilfreiche Erkenntnisse, sowohl aus deutsch- als auch aus englischsprachigen Quellen. Wir sind überzeugt, dass ein achtsames und respektvolles Handeln gemeinsam mit unseren Mitmenschen und in Einklang mit der Natur erstrebenswert ist und uns allen ein gerechtes, friedliches und erfülltes Leben ermöglicht.“ Das kann man doch nur unterstützen. Oder?

Gefährliche Kräutertees durch Pyrrolizidinalkaloide?

Auch beim Tee die Kirche im Dorf lassen

Als ich damit begann, meine eigenen Kräutertees herzustellen, gehörte Huflattich zu meinen ersten Bekannten. Denn das seltsame Anti-Husten-Kraut blüht im Frühjahr, bevor es Blätter treibt und ist deshalb mit keinem anderen zu verwechseln. In den letzten Jahren verunsichern aber immer wieder Hinweise auf die darin enthaltenen, giftigen Pyrrolizidinalkaloide (PA). Schon mal vorweg: Ich werden Hoflattichtee trotzdem trinken. Und dafür gibt es gute Gründe.

Huflattich (Wikipedia_Merops)Eine besondere Rolle in der PA-Verunsicherung spielte das für die Lebensmittelsicherheit zuständige Bundesinstitut für Risikobewertung. Als es im März 2014 seine 30-seitige Bewertung von Kräutertees und Tees publizierte, warf es einen mächtigen Stein in den Teich der Kräuterteehersteller. Denn PA sind möglicherweise krebserregend, leber- und lungenschädlich, können Embyos schädigen und unsere Gene verändern. Die PA, von denen es über 500 verschiedene (und unterschiedlich gefährliche) Varianten in über 5.000 Pflanzenarten gibt, sind quasi allgegenwärtig: in Honig, in Salaten, in Gemüsen, in Tees, in Kräuterpräparaten, in Getreideerzeugnissen und in den Lebensmitteln, die von Pflanzenfressern gewonnen werden: Milchprodukten. Der Grund für die Allgegenwart der PA: Sie sind die Universalwaffe der Pflanzen, um sich gegen übermäßigem Schädlingsfraß zu wehren.

Mit anderen Worten: Menschen nehmen PA zu sich, seit sie sich von Pflanzen ernähren, also: schon immer. Das eigentlich Problem mit den Pflanzenabwehrmitteln sind nicht diese selbst, sondern unser Umgang mit Pflanzen; genauer gesagt: unser eventuell manischer Umgang mit Pflanzen. Wer nämlich meint, er müsse wochenlang nur noch Huflattichtee trinken, und zwar täglich etliche Tassen, der wird sich irgendwann möglicherweise vergiften. Trinkt er aber mal ein, zwei Wochen Huflattichtee gegen seinen Husten, sonst aber gar nicht; trinkt er ansonsten Mischkräutertees, Schwarztee, Grüntee, Kaffee, Getreidekaffee usw., dann sinkt das Risiko, den bösen PA zum Opfer zu fallen, gegen Null. Mit anderen Worten: Verhält sich der Teetrinker wie ein ganz normaler Mensch, passiert ihm nix. Und noch weniger als nix, wenn er gelegentlich seine Teemarke wechselt.

Es gibt also zu PA eigentlich nichts Besonderes zu vermelden, außer dass wir uns keine Sorgen machen müssen, wenn uns mal wieder erzählt wird, wie gefährlich sie seien. Rein theoretisch sind sie‘s ja. Das muss man gar nicht abstreiten. Rein praktisch aber eben nicht. Und einen gesetzlich Grenzwert, wie viel PA in 100 Gramm Tee enthalten sein dürfen, gibt es übrigens auch nicht.

Hier findest Du ausführliche Angaben des Bundesinstitut für Risikobewertung zum  Thema Pyrrolizidinalkaloide.

Foto: pixabay/Lebensmittelfotos