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Foodwatch hat Recht: Kranke tote Tiere sind kein Zufall

(efp).- Foodwatch prangert auch Bio-Lebensmittel an. Da lachen sich die einen offen ins Fäustchen (und kommen sich dabei schlau vor), und die anderen seufzen: „Oh mein Gott!“ (und fühlen sich als die Betrogenen).

Was ist geschehen?

Foodwatch schockierte die Öffentlichkeit

Am 22. September 2016 schockierte foodwatch die Öffentlichkeit mit der Nachricht „Jedes vierte Tierprodukt stammt von einem kranken Tier“. Man kaufe „Milch von Kühen mit entzündeten Eutern und Eier von Hühnern mit Knochenbrüchen“, nicht wenig davon als „bio“ deklariert. Dass es sich dabei um Schätzungen handelt, sagt foodwatch selbst. Für exakte Zahlen sei die Datenlage zu uneinheitlich. Gerade deshalb wird sich nun die Agrarindustrie auf die Meldung stürzen und an den Daten herumkritteln, um von der eigentlichen Wahrheit abzulenken.

3 Lügen am Stück

Ha, Wahrheit, ein hehrer Begriff, und keiner, den ich gerne in den Mund nehme. Aber hier scheint er mir nötig. Unlängst veröffentlichte der Veterinärmediziner und foodwatch-Kampagnenleiter Matthias Wolfschmidt ein Buch mit dem Titel „Das Schweinesystem“. Man ahnt, was damit gemeint ist: Die industrielle Tierhaltung generell. Sie ist gleich dreifach schlecht: Sie quält die Tiere (deren Qual wir uns dann einverleiben; Beispiel Hühner: regelmäßige Gelenkerkrankungen, Brustbeinschäden, Knochenbrüche, Eileiterentzündungen, Wurmbefall, Fußballenveränderungen), sie treibt kleinere Bauern in den Ruin (und sorgt damit für einen Teufelskreis hin zu einer immer herzloseren Tierhaltung) und betrügt den Verbraucher, indem sie vorspiegelt, man habe tatsächlich noch Reste von Gewissen an Bord und würde „Qualität“ produzieren.

Tiere oder Autoreifen? Egal.

Eine Stufe tiefer betrachtet: Solange unser System – trotz Tierschutzgesetz – Tiere als Sachen behandelt und juristisch weitestgehend gleichstellt mit Autoreifen, Laborgeräten oder Kühlschränken, bleibt die Lebensfeindlichkeit systemimmanent. Ein Landwirt produzieren Kartoffeln, Schweine oder Hühner. Für sie ist es kein Unterschied. Was hinten herauskommen muss, ist Gewinn. Ansonsten kann er seinen Betrieb („Hof“ sagt man schon lange nicht mehr) dichtmachen. Aber: Tiere, die halbwegs artgerecht gehalten werden, sind unrentabel. Nachdem auch Bio-Produkte längst in den Schraubstock der Nachfrage-Angebots-Logik eingespannt sind, unterliegen deren Produzenten – mit ein wenig zeitlicher Verzögerung – letztlich den selben Marktmechanismen.

Was also können wir tun?

Dreierlei fällt mir dazu ein:

  • Auf tierische Produkte verzichten. Ja, stimmt: das heißt im Endeffekt: vegan leben.
  • Wenn man aber doch hin und wieder seiner Fleischeslust nicht widerstehen kann, dann sollte man GENAU wissen, woher das tote Tier kommt und wie es vor seiner Schlachtung leben durfte. Bio allein – schade – genügt nicht mehr.
  • Foodwatch unterstützen

Und ganz generell: Alle die Firmen unterstützen, die weltfreundliche Alternativen zum herkömmlichen Massenmarkt anbieten, die kleinen, die regionalen, die sozialen, die gesunden, die fairen. Öffentlichkeitsarbeit ausschließlich für solche Firmen zu machen, ist Ziel und Zweck von ecoFAIRpr.

99 % Reichtum für 1 % der Weltbevölkerung

Schon 2016 werden 99 % des Weltvermögens nur 1 % der Weltbevölkerung gehören. Zu beneiden sind die Superreichen nicht, jedenfalls nicht bei einer genaueren Betrachtung.

Ich muss gestehen: Auch mir ist der Neidreflex nicht fremd. Einfach nix tun, mich zurücklehnen und nächsten Monat eine Mille mehr auf dem Konto haben – „des waar scho wos!“ [hdt. Das wäre schon etwas], wie der Bayer sagt. Aber dem folgt ein zweiter Reflex auf den Fersen: auf wessen Kosten?

Regen oder Traufe?

Denn Zins und Zinseszins entstehen ja nicht im luftleeren Wirtschaftsraum. Entweder müssen sie von jemandem erarbeitet werden (also Menschen wie uns, die Kredite aufnehmen zu Zinsen, an denen wenige andere verdienen, oder Lohnsklaven [sorry, aber das kann man nicht anders nennen], die anderswo Wertvolles für einen Hungerlohn erwirtschaften) – und das ist vielleicht noch die bessere Variante. Oder sie entstehen als Geldblase im Weltfinanzsystem. Daran verdienen dann nur noch Großinvestoren und Banken, bis die Blase mal wieder platzt und wir alle Milliarden blechen müssen, damit das ganze System nicht kollabiert.

50 % Zinsen oder 1,3 %?

Wie auch immer: Letztes Jahr besaß das reichste 1 Prozent der Weltbevölkerung nur 48 Prozent des weltweiten Gesamtvermögens, nächstes Jahr werden sich die 48 Prozent in 99 Prozent verwandelt haben. Das nennt man exponentielles Wachstum. Nur zum Vergleich: Unsereinem bieten die großzügigsten Geldinstitute zurzeit 1,3 % Zinsen an.

Aber zurück zu den 1 Prozent. Konkret heißt das zum Beispiel, dass momentan die 85 reichsten Menschen so viel besitzen wie 3,5 Milliarden ihrer Mitmenschen (= die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung) zusammen.

Die Welt: Objekt der großen Begierde

Was heißt das? In seinem Klassiker „Haben oder Sein“ schrieb Erich Fromm: „In der Existenzweise des Habens ist die Beziehung zur Welt die des Besitzergreifens und Besitzens, eine Beziehung, in der ich jedermann und alles, mich selbst eingeschlossen, zu meinem Besitz machen will.“ Das aber bedeutet: Alles wird zum benutzbaren Objekt. Würde und Wertschätzung von Mitmenschen, Mitkreatur und Mitwelt sind aus so einer Haltung heraus unmöglich, Respekt wird zu Gier. Und noch viel schlimmer: Auch der Respekt vor sich selbst speist sich nur aus dem Haben. Erst durch ein Mehr werde ich ein Wer.

Spätestens an diesem Punkt verliert sich der Leidreflex und mündet in Trauer. Aber auch in Zorn: So darf das nicht sein. Die Erde ist kein Objekt, sondern unser gemeinsamer Planet. Und der muss bewohnbar bleiben.

Wer den Oxfambericht zur Verteilung des Reichtums im Detail nachlesen will, findet ihn unter http://www.oxfam.de/publikationen/working-for-the-few

Foto: pixabay_Stevebidmead

Jederzeit: unheiliges Weihnachten

Weihnachten und Pegida – wo ist der Unterschied?

Zugegeben, Weihnachten ist rum. Aber herrscht es nicht rund ums Jahr? Man könnte es billigerweise die Schlaraffenzeit nennen, dann wäre das christliche Fest gedanklich aus dem Weg, das ja längst auch unsere muslimischen Mitbürger zu mehr Konsum anfeuert, vielleicht sogar noch mehr als uns. Denn wer von uns feiert denn schon Bayram? Die meisten denken dabei eher an etwas Bayerisches und nicht ans türkische Zuckerfest. Dass Muslime hingegen – äußerlich wie die meisten von uns – auch ein bisschen Weihnachten feiern und sich beschenken, ist es gar nicht mehr so selten.

Die Botschaft vom Schlaraffenland

Unser Luxus, unser Wohlstand, von dem wir wissen, dass wir ihn auf dem Rücken der ärmsten Länder der Welt zelebrieren, weckt dort Sehnsüchte. Wie könnte es anders sein, als dass die materiellen Habenichtse der Welt, die nicht selten die sozialen und spirituellen Glückkinder dieser Erde sind, ein Stück von unserem Schlaraffenland abhaben möchten? Solange sie das Schicksal nicht vertreibt, bleiben sie trotzdem.

Kürzlich bezeichnete der iranische Botschafter auf den Philippinen den Papst Franziskus als „künftigen Heiligen“. Franziskus hatte die „Spirituelle Alzheimer“ innerhalb der Kurie beklagt, die Hartherzigkeit, Karrieresucht und mangelnde Selbstkritik. Fern der Häme: Wie viel davon trifft auch auf uns zu? Auf die Flüchtlinge dieser Welt jedenfalls nicht. Sie haben andere Probleme. Sie wissen oft nicht, wie sie den nächsten Tag überleben werden, wovon sie den Arzt bezahlen sollen, wenn ihre Kinder krank sind oder sie selbst. Sie können die Ausbreitung der Wüsten und die Zunahme der Unwetterkatastrophen nicht stoppen, deren Zahl vorwiegend durch die Untaten der Industrieländer nach oben getrieben wird. So landen sie in den Elendsvierteln ihrer Großstädte und erfahren von den Schlaraffenländern des Westens.

Kultur in 1-Euro-Shops

Was würden wir tun an ihrer Stelle? Vergnügt weiterhungern? Die Internationale Organisation für Migration informiert, dass 2013 rund 22 Millionen Menschen in 119 Ländern durch Naturkatastrophen ihre Heimat verloren haben. Hinzukommen Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten. 120.000 Bootsflüchtlinge allein in Italien. Wo sollen sie alle hin? Die EU überlegt zurzeit, ob ihnen nicht der tiefe Grund des Mittelmeeres eine passende Heimat wäre, im mare nostrum: unserer Adria.

Nein, es ist keine menschliche Alzheimer, die so manchen befallen hat, sondern ganz banale Furcht, den bekanntlich besten Ratgeber des Menschen. Unsere Kultur, sagen sie, wollen sie schützen. Unter Kultur verstehen sie „Sex and the City“, „SoKo“ und „Bones, die Knochenjägerin“. Sie schrecken weder vor RTL2 noch vor Gute Laune TV zurück, sie schauen nachts erst „Weiblich, gierig sucht“ und danach um halb drei den „Hofrat Geiger“. Die Kulturhüter verkehren in den 1-Euro-Shops und den Jachthäfen der Republik, sie verwechseln Konsum mit Kultur. Sie wollen nicht vom Protz-Range-Rover auf den Mittelklassewagen umsteigen, sie wollen weiterhin Karibik statt Balearen. Oder sie hätten gerne San Remo statt Zwiesel.

Das Recht der weißen Haut?

Das mag ja polemisch formuliert sein. Nüchtern scheint mir nur klar: Unser Problem sind nicht die Flüchtlinge dieser Welt, unser Problem ist unsere Verwechslung von Konsum mit Lebensqualität. Wären wir auf diesem Auge nicht mehr oder weniger alle (zumindest ein bisschen) blind, müssten wir nicht Weihnachten Nächstenliebe heucheln und ein paar Tage später wieder jene Politiker hoffieren, die die europäischen Grenzen in Eiserne Vorhänge verwandeln möchten. Mit welchem Recht? Mit dem Recht des Stärkeren? Mit dem Recht der weißen Haut? Oder einfach nur mit unserem Recht auf Bierbauch und Hüftspeck?

Foto: pixabay/Kyushi

Wider besseres Wissen – mit Gewissen

Weshalb Menschen unbedingt an den Segen des Wachstums glauben wollen

Dass der Wunsch den Willen regiert, kennt man von kleinen Kindern: „Mama, ich möchte ein Stück Schokolade.“ – „Tut mir leid, aber wir haben grade keine da. Heute Nachmittag gehen wir einkaufen, dann kannst ein Stück haben.“ – „Aber ich will die Schokolade jetzt.“ – „Tut mir leid, das geht nicht.“ – Tränen, ein untröstliches Kind, das nicht versteht, dass es etwas, das nicht da ist, nicht haben kann.

Überleben Glaubenssache?

Beim Thema Wachstum verhält sich die gesamte westliche Welt ganz ähnlich. Solange es bei der Theorie bleibt, würde jeder zustimmen: in einer endlichen Welt ist unendliches Wachstum nicht möglich. In der Praxis kommen Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmer und Politiker ins Schwärmen, wenn sie Wirtschaftswachstum verkünden können. Da machen auch die Grünen keine Ausnahme, die nicht nur zu Weihnachtsmannzeiten an „Grünes Wachstum“ glauben.

Einen spannenden Blick in die Gedankenwelt der Postwachstumsidee gibt Prof. Niko Paech in folgendem Interview des Südwestrundfunks:

Ich möchte mich hier nicht mit der Pro-Kontra-Diskussion aufhalten, die unter dem Strich darauf hinausläuft, dass Wachstum, wenn es nur immer langsamer und umweltfreundlicher erfolgt, am Ende gar kein Wachstum sei. Vielmehr interessiert mich hier die Frage: Wie kommt es, dass große, nüchtern denkende, gut ausgebildete und logisch denkende Menschen in dieser Angelegenheit ihren gesunden Menschenverstand ausknipsen? Immerhin hängt daran womöglich das Wohl und Wehe des Planeten?

Kommunismus? War mal ganz normal.

Anthony de Mello würde hier vermutlich ganz einfach antworten: Weil sie so programmiert wurden. Und da ist sicher etwas dran. Alles an unserem Leben ist auf Konsum ausgerichtet. Was nichts kostet, ist nichts wert. Nimm einem Menschen sein Geld weg, und er ist erledigt. Von der ersten Nuckelflasche über die Schultüte und den Führerschein bis zum Sarg – zu jedem Lebensschritt gehören Geldausgaben wie die Luft zum Atmen. Und wer wollte schon ohne Luft sein.

Konsum ist uns als Selbstverständlichkeit derart ins Gehirn eintätowiert, dass uns Schenken als etwas ganz Besonderes vorkommt. Und die Idee, Dinge gar nicht zu besitzen, sondern miteinander je nach Bedarf und Bedürftigkeit zu teilen, dürfte die meisten unter uns massiv beunruhigen. Plötzlich stünde die Bedrohung des Kommunismus im Raum. Dabei haben die Menschen den allerlängsten Teil ihrer Geschichte genau so gelebt: organisiert in kleinen Gruppen von Jägern und Sammlern, die – von wenigen Dingen abgesehen – alles miteinander teilten.

Kapitalismus als Lebensentwurf

Glauben wir an den Segen dieses unseres Systems, gehört dazu automatisch der Glaube an Wachstum. Oder möchten Sie Ihr Geld ohne Zinsen anlegen? Der Gedanke an den Verlust des Systems, an das Ende des Kapitalismus, mündet ganz direkt in die Angst vor dem Ende des kompletten eigenen Lebensentwurf. Beruf, Familie, Freiheit, Besitz, Prestige, Urlaub, Komfort, Status, Zukunft – alles wäre augenblicklich gefährdet. Das Paradigma des Habens durchdringt uns wie Blutbahnen zu jeder einzelnen Zelle unserer gesellschaftlichen Existenz. Es gibt geringere Gründe, weshalb wir den Kopf tief in den Sand stecken würden, um von dort aus beschwörend zu rufen: Wir brauchen mehr Wachstum, mehr Wachstum, mehr Wachstum. Vielleicht ist das ja der Grund, weshalb mir diese Rufe immer so dumpf erscheinen. Die Sandschichten über dem Kopf dämpfen den Schall.

LINKS

Pro Wachstum und sehr prominent: http://newclimateeconomy.report/ bzw. http://static.newclimateeconomy.report/wp-content/uploads/2014/08/Besseres-Wachstum-Besseres-Klima.pdf

Das spannende Cradle-to-Cradle-Konzept: http://de.wikipedia.org/wiki/Cradle_to_Cradle

Geo Magazin: Neue4 Ökoinomie – es reicht: http://www.geo.de/GEO/natur/oekologie/neue-oekonomie-es-reicht-75679.html

Psychische Ressourcen zur Förderung nachhaltiger Lebensstile (Memorandum des Denkwerks Zukunft – Stiftung kulturelle Erneuerung): http://www.denkwerkzukunft.de/downloads/MemoPsycho.pdf