Lassen wir die Metzger sterben?
Für viele Menschen in meiner Umgebung ist es eine gute Nachricht (zugegeben, auch für mich selbst): Der Fleischkonsum sinkt bedrohlich; bedrohlich fürs Fleischerhandwerk, bedrohlich für die Schlachthöfe (was für ein Euphemismus!) und ihre Kopfschlächter, bedrohlich für die Bauern und industriellen Tierproduzenten; nachteilig für die kommunalen Einnahmen. Nicht bedrohlich, sondern vielmehr gut ist der Trend aus zweierlei Gründen:
- Fleischarme Ernährung ist vermutlich für den Menschen gesund.
- Fleischlose Ernährung ist mit Sicherheit für die Tiere gesund.
Was sind wir doch für eine seltsame Tierart! Zumindest den Vegetariern und Veganern liegt das Wohl der eigenen Art weniger am Herzen als das Wohl von Rindern, Schweinen, Schafen, Hühnern und Wachteln. Kein Schwein käme auf die Idee, über das Wohl der Ziegen nachzudenken. Wenn wir also böswillig an den Metzgereien vorüber- statt hineingehen, wenn wir schadenfroh durchs Schaufenster die leeren Plätze vor den vollen Wursttheken bewundern, dann sind uns das tägliche Überleben des Metzgers, seiner Familie und Belegschaft, seine Ratenzahlungen für seinen Mercedes, seinen neuen Lieferwagen und seine Villa auf Mallorca ganz einfach Wurst.
Sind wir dann eigentlich noch gute Menschen? Ein moralisches Dilem- ma. Zumindest an der goldigen Metzgersenke- lin sollten wir Anteil nehmen. Sie hat eben das Krabbeln gelernt, wird von der ange- grünten Metzgerstochter noch gestillt, kennt noch nicht den Unterschied zwischen Erwachsenen- und Kinderwurst (http://www.stupidedia.org/stupi/Kinderwurst) und ist das reine Entzücken der alten Fleischerin.
Es könnte sich also durchaus die Frage stellen: Sollten wir nicht doch gelegentlich Fleisch oder Wurst kaufen, damit die Metzgerfamilien ein Auskommen haben? Darüber könnte man nachdenken, wenn ein Ruck durchs Land ginge und wir plötzlich alle keine Fleischprodukte mehr kauften. Aber so ist es ja nicht. Wir schleichen das Fleisch sozusagen aus. Es gibt also ein natürliches Fleischersterben, das ohnehin mehr durch einen lernunwilligen Nachwuchs (jede vierte Lehrstelle bleibt unbesetzt) als durch den kaufunwilligen Verbraucher vorangetrieben wird. In Würzburg gibt es nach wie vor unbegreifliche Warteschlangen vor dem Bratwurststand am unteren Markt. Außerdem: Was ist denn „Wurst kaufen den Metzgern zuliebe“ für ein Argument? Sollten wir nur deswegen Waffen kaufen, damit die Waffenfabrikanten überleben?
Anmerkung zum Schluss: Würden die Deutschen die Fleischer Fleischhauer nennen, so wie die Österreicher, würden wir vermutlich noch weniger Fleisch kaufen. Für mich jedenfalls vermitteln diese drei Begriffe eine sich steigernde Brutalität: Fleischer – Metzger – Fleischhauer.
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